Embargos treffen die Armen

Sudans Vizepräsident Ibrahim Gandur plädiert für eine politische Konfliktlösung in Südsudan

  • Lesedauer: 5 Min.
Ibrahim Gandur gehört seit vielen Jahren zum Spitzenpersonal der in Sudan seit 1989 regierenden Nationalen Kongresspartei (NCP). Inzwischen amtiert er als Vizepräsident in Khartum. Anlässlich eines Deutschland-Besuchs zur Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen sprach für »nd« Martin Ling mit ihm über den Konflikt im Nachbarstaat Südsudan und die 2015 anstehenden Wahlen in Sudan.

nd: Seit ein paar Monaten verhandeln Salva Kiir und Riek Machar für die kriegführenden Parteien Südsudans in Addis Abeba. Ein Abkommen ist noch nicht in Sicht. Stattdessen droht eine Hungersnot, 1,5 Millionen Menschen sind auf der Flucht. Wie kann die internationale Gemeinschaft die Lage mildern?
Gandur: Wir sind als Nachbarstaat daran auf alle Fälle interessiert. Die internationale Gemeinschaft sollte sich in erster Linie dazu verpflichten, den Konflikt beizulegen, in zweiter Linie dazu, die in Südsudan tätigen Nichtregierungsorganisationen zu unterstützen, und drittens dazu, die unter der Führung des ostafrikanischen Staatenbundes IGAD in Äthiopien stattfindenden Verhandlungen zu beschleunigen. Das alles mit dem Ziel, die Menschen in Südsudan vor der drohenden Hungersnot zu bewahren. Jetzt ist die entscheidende Phase: Es ist Regenzeit, und wenn es nicht gelingt, die Felder zu bestellen, gibt es große Befürchtungen, dass eine Hungersnot in vielen Teilen Südsudans ansteht.

Was macht die Regierung Sudans?
Wir versuchen zu helfen. Wir haben schon die Grenzen geöffnet, um Flüchtlingen Zuflucht zu gewähren. Es wurde ja schon im Zuge der Sezession Südsudans 2011 ein Abkommen mit der Regierung in Juba geschlossen. Danach stehen den südsudanesischen und sudanesischen Staatsbürgern in beiden Ländern die Rechte auf freie Wahl des Wohnsitzes, Reisefreiheit, Erwerb und Veräußerung von Eigentum sowie Handels- und Gewerbefreiheit zu. Inzwischen sind Tausende Südsudanesen in den Norden gekommen, um hier zu studieren oder zu arbeiten. Hinzu kommen Kriegsflüchtlinge, die wir mit Hilfe von Nichtregierungsorganisationen versorgen. Aber darüber hinaus wird ein stärkeres Engagement der internationalen Gemeinschaft gebraucht, das ich bis jetzt nicht ausmachen kann.

Im UN-Sicherheitsrat ist der Konflikt in Südsudan regelmäßig Thema. Wäre ein Waffenembargo nicht angeraten?
Mag sein, aber Embargos alleine helfen sicher nicht weiter. Oft leiden die Ärmsten am meisten unter Embargos. Es ist nicht einfach, ein Embargo gegen zwei so einflussreiche Politiker zu verhängen, wie sie sowohl der Regierungschef Salva Kiir als auch der Rebellenführer Riek Machar fraglos darstellen. Beide haben eine Anhängerschaft von Hunderttausenden, wenn nicht Millionen, beide wissen einflussreiche politische Größen in Südsudan hinter sich. Sowohl Kiir als auch sein ehemaliger Vize Machar haben in Afrika und darüber hinaus Unterstützer. Deshalb ist es an der Internationalen Gemeinschaft, ernsthaft einen Lösungsvorschlag für die Krise zu unterbreiten, den beide Seiten akzeptieren können. Politische Ideen sind immer besser als Embargos. Delegierte des UN-Sicherheitsrats haben vor ein paar Wochen Juba besucht, um eine Zustimmung zu einem Abkommen zu bekommen. Das hat nicht geklappt. Gut möglich, dass es nun Richtung Bestrafung der Regierung Kiir geht. Das allein wird einen aber keiner Lösung näher bringen.

Eine Lösung ohne Kiir und Machar ist kaum vorstellbar, oder?
Schwerlich. Aber ich gehe davon aus, dass sie guten Ideen offen gegenüberstehen. Es bedarf einer politischen Lösung. Beide Seiten müssen davon überzeugt werden, was sicher nicht einfach wird.

Salva Kiirs Administration hat unlängst der Regierung von Omar al-Baschir vorgeworfen, die Rebellen zu unterstützen, nachdem Machar Khartum einen Besuch abstattete. Was sagen Sie dazu?
Machar war in Khartum zu Besuch, nachdem er davor eine ganze Reihe anderer Länder besucht hatte. Sudan war das letzte Land in dieser Reihe. Die Anschuldigungen kommen vom südsudanesischen Verteidigungsminister Kuol Manyang Juk. Wenn er Beweise hat, soll er sie vorlegen. Wir sehen das gelassen.

Sudan selbst ist auch nicht frei von Konflikten, zum Beispiel im Südwesten in Darfur. Seit Monaten läuft ein nationaler Dialog. Können Sie das präzisieren?
Der nationale Dialog wurde von der regierenden Nationalen Kongresspartei angestoßen und dann vom Präsidenten Omar al-Baschir aufgegriffen. Der Dialog ging am 27. Januar 2014 los, mit dem Ziel, alle Konflikte bis zum Jahresende friedlich beizulegen. Es handelt sich um einen runden Tisch, an dem sehr viele der politischen Parteien Sudans teilhaben, sowohl aus der Regierung als auch aus der Opposition. Frieden und Sicherheit sind dabei die zentralen Anliegen, die wir mit einem ganzheitlichen Ansatz zu erreichen hoffen. Dabei werden wir von der Afrikanischen Union unter der Führung des Vermittlers Thabo Mbeki, dem ehemaligen Präsidenten Südafrikas unterstützt. Letztlich geht es darum, allen Bürgern politische Freiheiten, soziale Gerechtigkeit, gute Regierungsführung und Rechenschaftspflichtigkeit zu sichern.

Nehmen historische politische Größen wie Sadiq al-Mahdi, Premier bis zum Putsch 1989, und Hassan al-Turabi, einst Mitstreiter von Baschir, am runden Tisch teil?
Turabi ist auch mit seinen 82 Jahren noch politisch aktiv und nimmt mit seiner Partei als Teil der Opposition am runden Tisch teil. Auch Mahdis Umma-Partei gehört zu den sieben von der Opposition für den Dialog ausgewählten Parteien. Aber Mahdis Umma-Partei zögert bisher, sich aktiv an dem Tisch zu beteiligen. Wir hoffen, dass sich das noch ändert.

Für nächstes Jahr sind Wahlen vorgesehen. Wird der seit 1989 amtierende Präsident Omar al-Baschir noch mal antreten?
Gemäß den Parteistatuten gibt es einen mehrstufigen Wahlprozess, indem der Kandidat oder die Kandidatin bestimmt wird. Erst der Parteikongress am 27. Oktober wird den Kandidaten bestimmen. Baschir selbst hat mehrfach bekundet, dass er nicht mehr antreten will.

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