Linkspartei sagt Nein zu Waffenlieferungen
Beschluss des Vorstandes warnt vor Tabubruch in der deutschen Außenpolitik / Kritik an Termin für die Bundestagsdebatte am Weltfriedenstag / Linksreformer: Rolle der UNO hätte stärker betont werden sollen
Berlin. Die Linkspartei lehnt Waffenlieferungen in andere Länder grundsätzlich ab. Dies hat der Vorstand am Sonntag bekräftigt, wie aus einer Sitzung des Gremiums verlautete. Man werde bei der Abstimmung am Montag im Bundestag gegen Rüstungslieferungen in den Irak zur Unterstützung der Abwehr der Miliz Islamischer Staat stimmen. Außerdem warnt die Partei vor einem Tabubruch in der deutschen Außenpolitik. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen habe offen benannt, um was es bei den Waffenlieferungen an die irakisch-kurdischen Peschmerga auch gehe: »Wichtiger als die Frage, ob und welche Waffe wir am Ende liefern, ist die Bereitschaft, Tabus beiseite zu legen und offen zu diskutieren.«
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»Die Bundesregierung wird mit der direkten Waffenlieferung an eine - von mehreren Konfliktparteien vor Ort zur Kriegspartei«, heißt es in dem Beschluss. »Waffenlieferungen bedeuten, dass Menschen an diesen Waffen auch ausgebildet werden müssen. Ein so genannter Endverbleib der jetzigen Rüstungslieferungen bei den vorgesehenen Empfängern kann sowieso kaum garantiert werden, bei diesen Waffenlieferungen ist das noch unwahrscheinlicher.« Es bestehe sogar die Gefahr, dass denjenigen, denen angeblich durch diese Waffenlieferungen geholfen werden soll, später Opfer genau dieser Waffen werden könnten. Dies treffe dann eben jene Jesiden und andere Minderheiten, die derzeit vor den Angriffen der Milizen Islamischer Staat geschützt werden sollen.
Die Bundesregierung verstoße mit dem angekündigten Beschluss zu Rüstungsexporten »offen gegen das Kriegswaffenkontroll- und Außenwirtschaftsgesetz sowie die eigenen politischen Grundsätze der Bundesregierung zum Rüstungsexport«, heißt es in dem Beschluss weiter. Die Linkspartei sieht sich bei ihrer Ablehnung von Waffenlieferungen »bei der Mehrheit der bundesdeutschen Bevölkerung«. Umfragen hatten eine mehrheitliche Ablehnung von Rüstungshilfe in den Nordirak ergeben.
Kritik wird auch am Termin der Bundestagsabstimmung geübt. »Es zeugt nicht gerade von historischer Sensibilität ausgerechnet am 1. September, dem Tag an dem die deutsche Wehrmacht vor 75 Jahren Polen überfiel und damit den zweiten Weltkrieg auslöste, und der seither - vor allem von Gewerkschaften und Friedensbewegung - als Antikriegstag bzw. Weltfriedenstag begangen wird, eine tabubrechende Abstimmung über deutsche Waffenlieferungen in Kriegsgebiete vom Bundestag billigen lassen zu wollen«, heißt es in dem Beschluss des Linken-Vorstandes.
Darin wird unter anderem auf Äußerungen von Linksfraktionschef Gregor Gysi verwiesen, der sich zunächst für Waffenhilfe in den Nordirak ausgesprochen, diese Position dann aber revidiert hatte. Der Linksfraktionschef hatte erklärt, er »war und bleibe ein Gegner von deutschen Waffenexporten. Deutschland hätte nach 1945 beschließen müssen, nie wieder an Kriegen verdienen zu wollen. Seit 1990 gab es nur falsche und schlimme Angriffskriege von NATO-Ländern sowie Bürgerkriege«. Nun erlebe man erstmalig, »dass eine Terroristenarmee islamistischer Söldner von außen - unter Begehung zahlreicher Morde - versucht, den Irak und Syrien zu erobern. Die Ursachen liegen in dem völlig falschen und wahnsinnigen Krieg der USA gegen den Irak von 2003, an der falschen Politik gegenüber Syrien, an der falschen Politik der gegenwärtigen irakischen Regierung und an der Tatsache, dass die türkische Regierung die terroristischen Söldner der ISIS unbehelligt durch die Türkei marschieren ließ,« so Gysi.
Im Beschluss des Linken-Vorstandes vom Sonntag heißt es weiter, man sehe inzwischen, »dass es weniger die Peschmerga als vielmehr die der PKK nahestehenden Kämpfer der kurdischen Partei der Demokratischen Union aus dem benachbarten Syrien waren, die Yeziden vor Ort gerettet haben«. Das in Deutschland bestehende PKK-Verbot sei »völlig kontraproduktiv«, die Linkspartei fordere die Aufhebung des Verbots.
Das Forum Demokratischer Sozialismus innerhalb der Linkspartei lobte den Beschluss, dieser enthalte »viele richtige friedenspolitische Standpunkte«. Leider sei es dem Vorstand aber »nicht gelungen, sich in seiner Erklärung stärker auf das Völkerrecht und die Verantwortung der internationalen Staatengemeinschaft zu beziehen«, verwies unterdessen der Bundessprecher der linksreformerischen Strömung, Dominic Heilig, darauf, dass der Beschluss seiner Ansicht nach Leerstellen habe. So werde etwa zur Rolle der UN »kaum etwas gesagt«. Es fehle »eine deutliche Forderung an die Bundesregierung, umgehend den UN-Sicherheitsrat anzurufen«. Dieser müsse sich umgehend mit der Lage in Nordirak, Syrien und der Türkei auseinandersetzen, so Heilig. »Wir müssen uns eben auch mit der akuten und für viele Tausende lebensbedrohlichen Frage auseinandersetzen, wie das Morden und Foltern der IS-Terrorarmee beendet werden kann.« nd
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