Israels Siedler im Westjordanland fürchten EU-Importverbote
Brüssels Zertifizierungsregeln haben das Potenzial für einen Boykott von Produkten aus israelisch besetztem Land in Palästina
»Hier geht immer weniger in Richtung Europäische Union«, sagt Mosche Levy. Der Chef eines Exportunternehmens in Jerusalem zeigt auf Kisten voller Orangen, Blumen, die in seiner Halle zwischengelagert werden, bis Lastwagen sie abholen. »Wir liefern immer öfter nach Russland, auch in Südostasien haben wir neue Märkte erschlossen.« Daran habe kein Weg vorbei geführt, sagt er. Denn sein Unternehmen ist auf Exportgüter spezialisiert, die in israelischen Siedlungen im Westjordanland und auf den Golanhöhen produziert wurden - widerrechtlich besetzten Gebieten. Man ist sich sicher dort: Das Importverbot der EU für alle dort hergestellten Produkte wird kommen; das Einfuhrverbot für Eier, Milch- und Geflügelprodukte sei da nur ein erster Schritt.
Was den Siedlern besondere Sorgen bereitet: Das Einfuhrverbot wurde durch die Hintertür geschaffen. Im Februar passte die EU ihre Richtlinie 798/2008 an, in der es eigentlich um die Bedingungen für die Einfuhr von Geflügelprodukten aus Israel und Südafrika vor dem Hintergrund der Vogelgrippe ging. Damals hatte man Israel und das Westjordanland in vier verschiedene Zonen mit jeweils unterschiedlichen Bedingungen aufgeteilt. Nun hob man die Zonen auf und erleichterte damit den Import für Geflügelprodukte aus Nordisrael - stellte aber gleichzeitig klar, dass nur tierärztliche Zertifikate für Produkte anerkannt werden, die auf international anerkanntem israelischen Staatsgebiet hergestellt werden.
Geflügel- und Milchprodukte müssen zertifiziert sein, bevor sie aus der Region nach Europa exportiert werden dürfen. Damit ist wegen der Staatsgebietsbeschränkung auf die Grenzen von 1967 die Einfuhr von Siedlungsprodukten faktisch ausgeschlossen. Bisher ohne Folgen: Nur auf den besetzten Golanhöhen werden große Mengen an Milch- und Geflügelprodukten hergestellt, und die werden fast ausschließlich in Israel und den palästinensischen Gebieten vertrieben. Im israelischen Landwirtschaftsministerium schätzt man, das Exportvolumen habe 2012 lediglich bei rund 100 000 Euro gelegen.
Dennoch führten die Änderungen zu langen Gesprächen zwischen israelischen Regierungsvertretern und der Europäischen Union. Ergebnis: Das Einfuhrverbot trat nicht bereits wie vorgeschrieben im März, sondern erst jetzt in Kraft. Israel versuchte die EU-Kommission umzustimmen, wies immer wieder darauf hin, dass die Beschränkung die Beziehungen zwischen Israel und den Palästinensern weiter belasten könnte. Die EU verwies auf eine andere Richtlinie von 2012, in der Israel auf das völkerrechtlich anerkannte Gebiet beschränkt wird. Doch im Kern ging es darum, dass es ohne weiteres möglich wäre, die Zertifizierungsregel auch auf Produkte anzuwenden, die öfter in die EU exportiert werden: Obst und Gemüse beispielsweise. Die entsprechenden Richtlinien müssten nur in einigen Sätzen angepasst werden.
Das Exportvolumen bei Obst und Gemüse beträgt um die 100 Millionen Euro. Käme ein Einfuhrverbot, würden Siedlungsunternehmen bis zu 40 Prozent ihres Umsatzes in diesem Bereich wegbrechen, sagt die der israelische Industrie- und Handelskammer. Das wären wiederum gut 20 Prozent des Umsatzes, der überhaupt in Siedlungen erwirtschaftet wird. Eine ganze Reihe von Großunternehmen haben daher bereits angekündigt, ihre Produktionsstätten nach Israel verlagern zu wollen, denn dort locken Steuererleichterungen für Neuinvestitionen. Die Produktion hatte durch den Gaza-Krieg wochenlang brach gelegen. Um Unternehmen zu halten und gegen die gestiegene Arbeitslosigkeit anzugehen, senkte man die Gewerbesteuern und die Umsatzsteuer für den Kauf von Fabriken. Zudem würden die Firmen im israelischen Staatsgebiet auch vom Zollabkommen zwischen Israel und der EU profitieren. Die besetzten Gebiete waren davon bereits 2012 ausgenommen worden. Bei der EU-Kommission weist man darauf hin, dass das nun in Kraft tretende Einfuhrverbot nichts mit dem Gaza-Krieg zu tun habe; das Datum habe bereits seit Monaten fest gestanden.
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