Finanzwelt wartet auf EZB-Entscheidung
Anhaltend hohe Arbeitslosigkeit und niedrige Inflationsraten treiben Notenbankchef Mario Draghi zum Handeln
In Frankfurt am Main gibt es zwei Arten von Donnerstagen: die normalen und die, an denen die gesamte europäische Finanzwelt gespannt auf die Worte von Mario Draghi wartet. Der kommende Donnerstag ist wieder einer jener speziellen Tage. An den Börsen wird bereits spekuliert, ob der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) noch mehr Geld in den Wirtschaftskreislauf pumpen wird.
Davon gingen am Dienstagvormittag zumindest die Händler an der Frankfurter Börse aus. In Erwartung eines neuen Geldsegens stieg der Deutsche Aktienindex DAX um knapp ein Prozent. In den Wochen zuvor hatte der Leitindex eine wahre Achterbahnfahrt hingelegt. Knackte er Anfang Juli noch die 10 000-Punkte-Markte, so verlor der DAX innerhalb eines Monats rund ein Zehntel seines Wertes und pendelte sich nun bei circa 9500 Zählern ein.
Für Draghi dürfte jedoch die extrem niedrige Inflationsrate wichtiger sein als die Kursschwankungen der 30 wichtigsten deutschen Aktienunternehmen. Eine Preissteigung von rund zwei Prozent hat die EZB als Zielwert ausgegeben, doch diesen verfehlt sie seit geraumer Zeit. Im August ist die Teuerungsrate auf ein Rekordtief von 0,3 Prozent gesunken. Die Gefahr eines Teufelskreislaufs aus fallenden Preisen und rückläufiger Konjunktur wird immer realer. Und auf dem Arbeitsmarkt ist die Eurokrise noch längst nicht überstanden: Im Juli verharrte die Arbeitslosenquote bei 11,5 Prozent - mit den traurigen Spitzenreitern Griechenland (27,2 Prozent) und Spanien (24,5 Prozent).
Auf einem internationalen Notenbankertreffen in Jackson Hole im US-Bundesstaat Wyoming mahnte Draghi deshalb eine Lockerung der Sparpolitik an. »Die existierende Flexibilität der Regeln könnte besser ausgenutzt werden, um den schwachen Aufschwung zu unterstützen«, sagte er. Auch er wolle notfalls noch mehr unternehmen. In Berlin kam die Rede des Zentralbankchefs nicht gut an. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) rief prompt bei Draghi an, um zu fragen, wie er es mit der von ihr forcierten Sparpolitik halte.
Wie die Taktik aussehen könnte, darüber wird nun spekuliert. Möglich sind weitere Wertpapierkäufe durch die Notenbank. Erst Anfang Juni hatte der EZB-Rat eine Reihe von Maßnahmen beschlossen: Der Leitzins wurde auf das Rekordtief von 0,15 Prozent gesenkt und Banken, die ihr Geld bei der EZB parken, müssen jetzt Strafzinsen von 0,1 Prozent zahlen. Auch ein neues Kreditprogramm sollte helfen, die Konjunktur im Euroraum wieder anzukurbeln.
Doch die ist weiterhin verhalten. Im Gegensatz zum Höhepunkt der Eurokrise sind nun weniger die südeuropäischen Länder die Sorgenkinder. Besonders die volkswirtschaftlichen Schwergewichte der Währungsunion leiden unter einer konjunkturellen Flaute. Frankreichs Wirtschaftsleistung stagniert seit Jahresbeginn - ebenso in Italien. Nun hat die schlechte Stimmung auch Deutschland erfasst. Im zweiten Quartal 2014 ging die Wirtschaftsleistung hierzulande um 0,2 Prozent zurück.
Auch der Euro verliert seit Wochen an Wert. Sah es Anfang Mai noch so aus, als ob er die Marke von 1,40 US-Dollar reißen könnte, erreichte er am Montag ein Zwölf-Monats-Tief von 1,3104 US-Dollar. Ausgelöst wurde der Kurssturz auch von Signalen aus der US-Notenbank Fed, die womöglich bald wieder die Zinsen anheben will. Das treibt das Kapital wieder in die USA und lässt so den US-Dollar steigen und den Euro fallen.
Weitere expansive Maßnahmen der EZB würden den Kursfall des Euro weiter voran treiben. Denn dieser ist gewollt. Ein starker Euro macht die Waren aus der Währungsunion in anderen Ländern teuer, was sich negativ auf die Konjunktur auswirkt. Gerade die Exportindustrie Deutschlands, die die Konjunkturflaute in der Eurozone und die Krise in der Ukraine mittlerweile zu spüren bekommt, könnte daher von neuen Maßnahmen profitieren.
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