Knebel für Kämmerer lockert sich
Sachsen-Anhalt will Kommunen finanziell entgegenkommen
Bis zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt dauert es eigentlich noch: Bis März 2016 ist die Koalition von CDU und SPD im Amt. Das Wettrennen darum, wer sich politischen Lorbeer an die Brust heften darf, hat aber begonnen. Das zeigt eine indignierte Äußerung von André Schröder, dem CDU-Fraktionschef, vom gestrigen Tag. Am Montag hatten Finanz- und Kommunalexperten der SPD mit ihrem Parteifreund und Finanzminister Jens Bullerjahn über finanzielle Zugeständnisse an die Kommunen beraten und abends Ergebnisse mitgeteilt. Schröder reagierte schmallippig: Dass der Koalitionspartner allein an die Öffentlichkeit gehe, sei »ungewöhnlich«.
Der Vorfall ist bezeichnend für das Klima in der Koalition – das für die kommunalen Kämmerer indes zweitrangig ist. Ihnen ist wichtiger, dass die Regierung in Finanzfragen zu Zugeständnissen bereit ist. Laut SPD sollen die Landkreise, Städte und Gemeinden über den Finanzausgleich in den nächsten zwei Jahren 37,5 bzw. 46 Millionen Euro mehr erhalten als zunächst geplant. Anders als von Bullerjahn geplant, sollen sie zum Beispiel nicht dafür bestraft werden, dass sie teils niedrigere Steuersätze erheben als andere Bundesländer im Osten.
Dieses und ähnliche Vorhaben hatte die Opposition ohnehin vehement kritisiert. Wulf Gallert, Chef der Linksfraktion, sprach gestern von »Berechnungstricks« des Ministers. Sie hätten dazu geführt, dass die Kommunen binnen zwei Jahren 100 Millionen Euro weniger erhielten als bisher. Dahinter stehe eine perfide Strategie: Nachdem die Kommunalwahlen vom Mai vorbei sind, die Wahl des Landtags aber näher rückt, werde Geld so umgeschichtet, dass »gute Stimmung im Land herrscht, während die Kommunen auf dem Zahnfleisch gehen«, wie Gallert formuliert.
Dass die SPD jetzt Zugeständnisse ankündigt, ist kein Zufall: Heute beginnt ein Spitzentreffen der Landkreise, am Dienstag will das Kabinett das Finanzausgleichsgesetz (FAG) behandeln, und der Doppelhaushalt kommt demnächst in den Landtag. Er hatte ursprünglich für die Kommunen, aber auch die Hochschulen schwere Einschnitte bringen sollen – zumindest, wenn man Pläne des Kabinetts vom Frühjahr 2013 zugrunde legt. Dass in beiden Bereichen die Knebel jetzt deutlich gelockert werden, ist nach Einschätzung Gallerts dem breiten Widerstand im Land geschuldet, wo es mehrfach zu Großdemonstrationen kam. »Protest lohnt sich«, sagt er, »das ist die Erfahrung des letzten Jahres.«
Nicht zuletzt bei den Kommunalfinanzen drängt die LINKE auf weitere Zugeständnisse. Gallert erinnert etwa daran, dass die SPD im Bund Maßnahmen durchgesetzt hat, um die Kommunen zu entlasten. So müssen sie Kosten für Grundsicherung im Alter und für Mietkosten von Bedürftigen nicht mehr tragen. In Sachsen-Anhalt könnten sie so 60 Millionen Euro mehr in der Kasse haben. Das Geld werde aber »für den Haushalt des Landes vereinnahmt«, sagt Gallert.
Allerdings knausert die Regierung nicht überall. Um 60 Millionen Euro auf 1,074 Milliarden Euro aufgestockt werden sollen Töpfe, aus denen Ministerien direkt Projekte in Kommunen unterstützen können. Das Kalkül: Sind sie fertig gestellt, können die Minister Bändchen durchschneiden. »Sie wollen damit Wahlkampf machen«, sagt Gallert. Bis zum März 2016 ist eben nicht mehr viel Zeit.
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