Auch Amman droht die schwarze Flagge
Jordanien besorgt über IS-Sympathisanten im eigenen Land / Israel will einem Fall des Königs »nicht tatenlos« zusehen
Auf dem NATO-Gipfel in Großbritannien erklärten die USA sowie acht europäische Mitglieder, darunter die Türkei, ein entschlossenes Vorgehen gegen die Dschihadisten vom Islamischen Staat (IS). Nun war US-Außenminister John Kerry auf Reise im Mittleren Osten, um dort Unterstützung für die Strategie des Weißen Hauses in Sachen IS zu gewinnen. Die Stationen von Kerrys Reise waren Irak, Jordanien und Saudi-Arabien und weitere Golfmonarchien.
In Jordanien, welches an Irak und Syrien grenzt, schrillen schon seit Monaten die Alarmglocken. Mitte Juni zog sich die irakische Armee zeitweise von der Grenze zu Jordanien rück, und IS-Kämpfer kontrollierten vorübergehend die irakische Seite der 125 Kilometer langen Grenze.
Jordanien verstärkte daraufhin seine Truppe in der Region. Diplomaten des Königshauses spielten die Bedrohung durch IS lange herunter, doch innenpolitisch wurden Schritte in die Wege geleitet, um darauf zu reagieren. So entließen die jordanischen Behörden im Juni den Salafistenführer Assem Barqawi aus der Haft. Er war fünf Jahre zuvor wegen Gefährdung der staatlichen Sicherheit und Rekrutierungstätigkeit zum »Dschihad in Afghanistan« zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Barqawi gilt als Unterstützer der in Syrien gegen die Regierung aktiven Nusra-Front und genoss folglich in islamistischen Kreisen in Jordanien ein beträchtliches Maß an Popularität. Doch nach Einschätzung des jordanischen Sicherheitsapparates galt er als Gegner von IS und dessen staatsübergreifenden Kalifatsvorstellungen. So schien die jordanische Monarchie bislang darauf zu setzen, Salafisten, von denen sie sich Loyalität für sich selbst erhofft, gegen die IS-Dschihadisten in Position zu bringen.
Laut Hasan Abu Hanya, einem Experten für dschihadistische Bewegungen in Jordanien, gibt es in Jordanien aber bereits über 2000 IS-Unterstützer. Abu Hanya weist zudem darauf hin, dass nicht die Zahl der Kämpfer entscheidend sei, sondern deren Organisationsgrad und ihre Ausrüstung. »Wenn 4000 IS-Kämpfer die mit 2,9 Millionen Einwohnern zweitgrößte irakische Stadt Mosul einnehmen konnten«, sagte Abu Hanya gegenüber dem katarischen Sender Al Dschasira, »kann man sich vorstellen, welch eine Gefahr von dieser Zahl an Unterstützern auch für Jordanien ausgeht.« Das Königreich zählt insgesamt 6,2 Millionen Einwohner.
Bereits im Juni gab es erste Solidaritätsbekundungen für IS in Jordanien: In der mehrheitlich von Beduinen bewohnten Wüstenstadt Ma'an im Süden des Landes protestierten Menschen gegen König Abdullah - und hissten dabei die schwarze IS-Fahne. In den vergangenen Wochen verhafteten die jordanischen Behörden 50 Personen, die der Nähe zu IS verdächtigt wurden.
Die Nähe zu den Konfliktherden in Irak und die Präsenz von IS-Sympathisanten im Lande bereiten nicht nur der haschemitischen Monarchie selbst Kopfzerbrechen. Jordanien gilt als einer der engsten Alliierten der USA und auch Israels in der Region. Neben Ägypten ist Jordanien das einzige Nachbarland, welches einen Friedensvertrag mit Israel unterzeichnet hat.
Zudem dient Amman den USA seit deren Rückzug aus Irak im Jahr 2011 als wichtiges Planungszentrum der CIA in der Region. So werden in Jordanien von den USA als moderat eingeschätzte syrische Gruppierungen im Kampf gegen die Regierung ausgebildet.
Auch in amerikanischen und israelischen Sicherheitskreisen wurden Szenarien durchgespielt, wie auf eine Bedrohung der jordanischen Monarchie durch Dschihadisten von IS zu reagieren sei. Laut Mossad-Chef Tamir Pardo ist die Bedrohung Israels durch IS gegenwärtig größer als jene durch das iranische Atomprogramm. Womöglich könne Jordanien einen militärischen Angriff abwehren, doch die Präsenz von fast einer Million Flüchtlinge im Lande drohe die Situation zusätzlich zu destabilisieren, so Pardo.
Laut US-Blatt »The Daily Beast« kommunizierten israelische Sicherheitskreise an ihre US-Partner bereits ihre Bereitschaft einzugreifen, wenn die jordanische Monarchie durch Dschihadisten ernsthaft in Gefahr geraten sollte. Auch Thomas Sanderson, der sich am Zentrum für Strategische und Internationale Studien in den USA mit transnationalen Bedrohungen auseinandersetzt, geht davon aus, dass Israel oder die USA einem Fall der jordanischen Monarchie nicht tatenlos zusehen würden. »Das Überleben der jordanischen Monarchie ist von zentraler Sicherheitsbedeutung für Israel und ein wichtiger Pfeiler der amerikanischen Politik in der Region«, so Sanderson.
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