Cuvry-Brache ist geräumt
Nach einem Brand bleibt die Fläche abgesperrt - die Polizei ermittelt wegen Brandstiftung
Duwye Philiman zuckt mit den Schultern, schüttelt den Kopf, rückt näher an das rot-weiße Absperrband heran. Wo er jetzt hingeht? Das wisse er nicht, sagt der 25-Jährige, der sechs Monate auf der Cuvry-Brache in Kreuzberg gelebt hat. Nach einem Brand am Donnerstagabend hat die Polizei das Gelände abgesperrt und ermittelt wegen Brandstiftung. »Mindestens drei Hütten sind vollständig abgebrannt. Fünf Tatverdächtige wurden festgenommen und werden momentan vom LKA verhört«, erklärt Polizeisprecherin Kerstin Ziesmer die Situation am Freitagmorgen. Fünf Menschen polnischer Herkunft haben Ziesmer zufolge die Hütten von zwei Männern aus Westafrika nach einem Streit angezündet. Einer der Täter habe leichte Brandverletzungen am Arm erlitten und befinde sich im Krankenhaus zur Behandlung, so Ziesmer.
Das unbebaute Gelände am Spreeufer wird von Aussteigern, Obdachlosen, Flüchtlingen und Roma-Familien in Hütten und Zelten bewohnt. Die Polizei sperrte den Tatort und die Brache noch am Donnerstagabend ab und verwies bereits in der Nacht sämtliche Menschen des Geländes.
Am Morgen sitzt eine bulgarische Familie im Vorgarten eines angrenzenden Hauses. Sie tragen Bademäntel, haben sich provisorisch mit Decken eingerichtet. Es regnet. Duwye hat die Nacht auf der Polizeiwache verbracht. »Meine Hütte stand nah bei den drei Hütten, die gebrannt haben. Die Polizei wollte von mir wissen, ob ich etwas gesehen habe«, erzählt Duwye. Immer wieder fragt er zwischendurch bei den Polizisten nach, wann er denn nun endlich seine Sachen von der Brache holen dürfe. Nach und nach werden die Bewohner einzeln auf das Gelände eskortiert, um ihre Habseligkeiten zusammenzuraffen. Auch Duwye ist gegen 11.30 Uhr endlich an der Reihe.
Unter den Bewohnern macht das Gerücht die Runde, der Besitzer werde nun die Gelegenheit nutzen, die Cuvry-Brache endgültig räumen zu lassen. »Von Räumung zu sprechen ist falsch, das Gelände war ja jetzt eh leer«, erklärt Polizeisprecherin Ziesmer. Und fügt hinzu, dass das Gelände bereits um 11 Uhr zurück an den Eigentümer übergeben wurde.
Die Brache ist als Bauland ausgewiesen. Investor Artur Süsskind, der dort den Bau von 250 Wohnungen plant, hatte schon vor einigen Wochen einen Antrag auf Räumung gestellt. Die städtebaulichen Planungsrechte für das Gelände an der Cuvrystraße liegen seit Jahren beim Senat und nicht mehr beim Bezirk. »Herr Süsskind kann uns darüber informieren, was er dort plant, aber er muss nicht«, erklärt Sascha Langenbach, Pressesprecher des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg. Langenbach erzählt, dass er mit seinem Team ab acht Uhr morgens vor Ort war, um den Leuten zu helfen. Hilfsangebote wie die Vermittlung von Schlafplätzen seien jedoch bisher nicht in Anspruch genommen worden, so Langenbach am frühen Nachmittag.
Duwye hat von diesem Angebot noch nichts gehört. Aber einer der anderen Bewohner hat ihm erzählt, am Bahnhof Zoo gebe es eine große Unterkunft für Obdachlose. Einige wenige Demonstranten sammeln sich unterdessen an den Absperrungen, die von der Polizei aufgestellt wurden. »Niemand darf mehr auf die Fläche. Sie ist definitiv geräumt«, sagt Hakan Taş, flüchtlingspolitischer Sprecher der LINKEN im Abgeordnetenhaus. »Etwa 30 bis 40 Personen müssen jetzt untergebracht werden«, so Taş. »Dass sie uns kurz vor dem Winter auf die Straße setzen, kann ich nicht fassen«, sagt Veronika, die hier neun Monate gewohnt hat. Derweil rollt ein großer Lkw mit Bauzäunen heran, die die Absperrungen der Polizei ersetzen sollen. Investor Süsskind hat die Gunst der Stunde genutzt: Die Brache ist geräumt und bleibt erst einmal zu.
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