»Kino für die Ohren«

Eine Initiative trommelt für mehr Hörspiele und Features im öffentlich-rechtlichen Rundfunk

  • Lesedauer: 4 Min.
Hörspiele und Features haben einen schweren Stand im Radio. In Zeiten rasanter Beschleunigung werden diese Kunstformen immer seltener produziert, und sie erhalten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk immer weniger Sendezeit. Nicole Mark versucht mit ihrer kürzlich gestarteten Initiative »Ich will mehr Hörspiel!«, diesem Trend nachhaltig entgegenzuwirken. Mit der Schauspielerin und Sprecherin sprach Christian Baron.

nd: Warum liegt Ihnen das Genre des Hörspiels so sehr am Herzen?
Mark: Hörspiele sind fantastische sinnliche Erlebnisse: Es wird nur das Ohr gefordert, gleichzeitig aber auch das Sprachvermögen geschärft und die Fantasie angeregt. Allein unser Hörsinn ist plötzlich der Motor für unsagbar viele Prozesse, die in unserem Innenleben in Gang gesetzt werden, wenn wir in den Genuss eines Hörspiels kommen. Außerdem unterstützen Hörspiele die Schule des Hörens; sie sind so etwas wie vertonte Literatur und Kino für die Ohren, und zwar in einer Kunstform. Leider wissen das immer weniger Menschen zu schätzen.

Ist das nicht Ausdruck eines sich stetig verändernden Mediennutzungsverhaltens?
Ja, aber das darf nicht als Argument dienen, Hörspiele und Features nur noch dem Kulturauftrag geschuldet zu produzieren. Wir wollen nicht den moralischen Zeigefinger erheben und anklagen, sondern einen Impuls setzen und positiv argumentieren. Ich möchte den Programmmachern und Gremien ein Lob aussprechen, wenn ich sage: »Ihr könnt es doch! Gerade deshalb will ich ja mehr davon!« Sicherlich bin ich nicht allein, wenn ich einen Anspruch an diese Qualität und an die propagierte Vielfalt in den Medien habe - und Hörspiele und Features haben da einen wichtigen und berechtigten Platz. Ein Hörspiel hebt sich deutlich ab von der häufig verstörenden Bilderflut anderer Medienformate. Es weckt die Lust an der Sprache und lässt die Menschen zur Ruhe kommen. Außerdem können die literarischen Vorlagen dazu anregen, wieder mehr Bücher zu lesen. Ähnlich wie die Literatur wirkt ein Hörspiel oft besonders stark durch Weglassungen und konzentriert sich auf den Punkt der Dramaturgie. Das fasziniert mich ganz besonders: Mit präzisen, reduzierten und non-visuellen Mitteln wird im Prozess der Entstehung eines Hörspiels Vortreffliches geleistet. Das Ergebnis ist häufig der schönste Beweis dafür.

Warum ist die Tendenz dann so rückläufig?
Auf ein Hörspiel muss man sich einlassen wollen, sich ohne Nebenberieselung auf die sinnliche Wahrnehmung konzentrieren. Natürlich kann das anstrengender sein, als sich nach einem langen Arbeitstag einfach vor die Glotze zu setzen. Aber ich glaube nicht, dass die Masse blöd ist. Vielmehr hat die breite Bevölkerung den Zugang zu dieser Form der Kunst nur deshalb verloren, weil zu wenig davon angeboten wird. Man muss ja in den Programmen mit der Lupe suchen, um zu erfahren, wann mal ein Hörspiel gesendet wird. Aus diesem Grund möchte ich mit meiner Initiative die Menschen wieder für diese Gattung begeistern. In Gesprächen mit verschiedenen Leuten über Hörspiele huscht ihnen ohne Ausnahme ein Lächeln über das Gesicht, weil sie sich sofort in schöne Kindheitserinnerungen zurückversetzt fühlen, wenn sie über Hörspiele sprechen.

Wie fällt die erste Zwischenbilanz Ihrer Aktion aus?
Wir haben eine wirklich große Resonanz erfahren und namhafte Mitstreiter gefunden, wie das »Zentrum für Kunst und Medientechnologie« in Karlsruhe oder die »Ständige Publikumskonferenz der öffentlich-rechtlichen Medien« in Leipzig. Auch per E-Mail erreichen uns zahlreiche Reaktionen. Am schönsten ist es, wenn zu diesem Thema tolle Dialoge entstehen, ob nun mit Leuten von der Straße, mit Hörspielschaffenden oder anderen Gleichgesinnten. Da entstehen gerade interessante Schulterschlüsse, die das Hörspiel-Format wieder mehr in den Fokus rücken wollen.

Welche Aktionen planen Sie konkret, um Ihrem Ziel näher zu kommen?
Durch die Unterstützung von prominenten Hörspielschaffenden und PR-Leuten habe ich ein umfassendes Konzept zur Trendwende erarbeitet. Ich möchte meine Initiative gern zur Kampagne ausbauen, so dass bald bundesweit Plakate und alle möglichen PR-Maßnahmen anlaufen sollen. Wir wollen den Menschen dieses geniale Genre wieder durch unterschiedlichste Aktionen schmackhaft machen. Dadurch möchten wir dann auch die Programmmacher erreichen und an sie appellieren, ihr Angebot an Hörspielen und Features entsprechend auszuweiten. Auf diese Weise soll dem Hörspiel im wahren Wortsinne wieder mehr Gehör verschafft werden.

ichwillmehrhoerspiel.wordpress.com

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