Was wurde eigentlich aus dem Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas?
Auf den Tag genau einen Monat ist es her, dass der jüngste Gaza-Krieg ein Ende fand. Tausende Raketen fielen in den Wochen zuvor auf israelische Städte, große Teile des Gazastreifens wurden in Trümmer verwandelt, Hunderttausende Menschen zu Flüchtlingen, mehr als 2.200 starben. Am 26. August einigten sich israelische und palästinensische Unterhändler in Kairo auf ein gemeinsames Abkommen: Die Waffen sollten schweigen, die Versorgungssituation für die Menschen im Gazastreifen verbessert werden. Einen Monat später ist alltägliche Gewalt zurückgekehrt, die Lage in Gaza so schlimm wie eh und je, die Bilanz des Waffenstillstandes ernüchternd.
Erste Bestimmung: Gegenseitige Waffenruhe
Ein Ende des Raketenbeschusses durch die Hamas und die Einstellung jeglicher Militäroperationen gegen Ziele im Gazastreifen lautete die erste Forderung des am 26. August veröffentlichten Waffenstillstandsvertrages. Die gute Nachricht: die Waffenruhe hält größtenteils. Die schlechte: nur für eine Seite.
Lediglich zwei Tage dauerte es, bis israelische Soldaten am 28. August die ersten Schüsse durch den Grenzzaun abgaben. Von »Warnschüssen« gegenüber palästinensischen Demonstranten sprach das Militär im Anschluss. Mindestens zweimal (am 11. und 19. September) rückte das israelische Militär mit Bulldozern und Panzern in den nördlichen Gazastreifen ein und zerstörte das Ackerland palästinensischer Bauern. Einige palästinensische Quellen berichten außerdem von einem ähnlichen Vorfall nahe Rafah, das israelische Militär bestätigte den Angriff nicht.
Vor allem vor der Küste des Gazastreifens war die Waffenruhe von Beginn an Makulatur (siehe auch Punkt 2). Bis zum 9. September zählte das »Palästinensische Zentrum für Menschenrechte« 25 Angriffe auf palästinensische Fischer. Im Durchschnitt brach die israelische Marine bis zu diesem Zeitpunkt damit zweimal täglich die vereinbarte Waffenruhe.
Auf palästinensischer Seite gab es vermutlich einen Fall, in dem Milizen vom Gazastreifen aus gegen die Waffenruhe verstießen. Israelische Medien berichteten am 16. September über den Einschlag eines Mörsergeschosses in der Negev-Wüste. Die Hamas und andere Gruppen streiten dies allerdings ab.
Zweite Bestimmung: Ausweitung der Fischereizone
Schon auf dem Papier sah der Waffenstillstandsvertrag nur kleine Verbesserungen für die Situation palästinensischer Fischer vor. Forderten die palästinensischen Unterhändler in Kairo anfänglich noch eine Ausweitung der Fischerzone auf 12 Seemeilen (während der Oslo-Verhandlungen der 90er Jahre hatten sich die PLO und Israel bereits auf 20 Meilen geeinigt), erklärte sich Israel schließlich nur zu sechs Meilen bereit. Später, so die Übereinkunft, könnten die Zone auf neun bis bis zwölf Meilen ausgedehnt werden. Eingehalten wurde allerdings auch dieser Teil der Vereinbarung nie.
Schon am 3. September - nur eine Woche nach Unterzeichnung des Abkommens – eröffnete die israelische Marine das Feuer auf Fischerboote nahe der Stadt Beit Lahias und verhaftete zwei Fischer. Später erklärten die beiden, ihr Boot hätte sich nicht weiter als eine Meile von der Küste entfernt. Zwei Dutzend weiterer Angriffe folgten bis zum 9. September, elf palästinensische Fischer wurden dabei verhaftet, mehrere verwundet. Bald wurden die Angriffe so regelmäßig, dass sich das Landwirtschaftsministerium am 8. September genötigt sah, die tausenden Fischer im Gazastreifen in einer Mitteilung davor zu waren, dass Israel entgegen des Waffenstillstandsabkommens die alte fünf-Meilen-Zone wieder in Kraft gesetzt habe.
Dritte Bestimmung: Lockerung der Blockade
Während Palästinenser seit Jahren die Aufhebung der israelischen Belagerung und ein Ende der Abriegelung der Grenzübergänge von Israel verlangen, einigte man sich in Kairo zumindest auf eine Lockerung der Blockade: Auf dem Papier versprachen israelische Unterhändler, die Lieferung von »Baumaterialien und humanitären Gütern« in den zerstörten Küstenstreifen zu ermöglichen. Doch in der Realität warten Palästinenser bis heute vergebens auf eine Verbesserung ihrer Versorgungssituation. Als palästinensische Journalisten vergangene Woche beim Pressesprechers der Palästinensischen Handelskammer in Gaza, Maher al-Tabba, nachfragten, welche Lockerungen es an den Grenzübergängen gebe, fiel seine Antwort denkbar knapp aus: »Es gibt keine«.
Und auch die stellvertretende Vorsitzende des UN-OCHA-Büros in Palästina, Maria Jose Torres, konnte Anfang September keine Verbesserung feststellen: »Sowohl bei Erez als auch an Kerem Shalom (die beiden israelischen Grenzübergänge zum Gazastreifen) konnten wir bisher keinerlei Veränderung feststellen, was die Transferbestimmungen für Personen und Güter betrifft.«
Vierte Bestimmung: Weitere Verhandlungen
Neben den genannten verbindlichen Abmachungen, listet das Abkommen vom 26. August eine Reihe von »langfristigen Themen« auf, über die in späteren Verhandlungen entschieden werden sollen. So fordern die palästinensischen Unterhändler unter anderem die Freilassung hunderter Palästinenser, die Israel im Juli des Jahres im Westjordanland festgenommen hatte, sowie den Bau eines Flug- und Seehafens. Israel verlangt die Rückgabe aller persönlichen Hinterlassenschaften getöteter Soldaten und die »vollständige Demilitarisierung« Gazas.
Trotz mehrerer Verhandlungsrunden kam bis heute keine dieser Forderungen über den Status eines Eintrages auf den Wunschzetteln von Israelis und Palästinenser hinaus. So bleibt es einen Monat nach dem Abkommen von Kairo bei lediglich einer Übereinkunft, an die sich beide Seiten bis heute halten: Sie wollen weiter verhandeln.
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