Die Unverbesserliche

Judith Demba ist wieder da - mit einem neuen, alten Slogan: »NOlympia!«

  • Marlene Göring
  • Lesedauer: 5 Min.

Nein sagen konnte sie schon immer gut. In der DDR, in Brüssel und in Berlin. Judith Demba ist wieder da, mit demselben Slogan, der sie vor über 20 Jahren berühmt machte: »NOlympia«, kein Olympia in der Hauptstadt!

Die 57-Jährige wuselt durch das Büro der Naturfreunde Berlin, das sie leitet. Demba trägt zwei Kartons in den großen Raum hin zur Straße. Die Lampen darin müssen aufgebaut werden, heute noch. Erst seit kurzem hat der Umweltverein eine eigene Geschäftsstelle, alles riecht wie frisch ausgepackt. Auch Demba ist hier neu. Seit November 2013 arbeitet sie bei den Naturfreunden. Es wird das Hauptquartier für ihr neues, aber auch altes Projekt - die Kampagne gegen die Bewerbung Berlins um die Olympischen Sommerspiele und die Paralympics 2024 oder 2028.

»Ich kann nicht glauben, dass sie sich noch mal trauen«, sagt Demba. Sie, das ist der rot-schwarze Senat, voran Noch-Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und Innensenator Frank Henkel (CDU). »Selbstmord« nennt die Umweltschützerin das, was von ihnen als Bewerbungsoffensive um Olympia vorgestellt wurde. Die Stadt sei verschuldet, habe Versorgungslücken in allen Bereichen. Schulklos, Schwimmbäder, Kitas - Demba kennt ihre Zahlen und weiß erschreckende Beispiele dafür, woran es der Stadt mangelt. »Olympia ist eine reine Verkaufsveranstaltung«, spielt sie auf den umstrittenen »Host City Contract« an. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) holt sich darin Garantien von den Gastgeberstädten - lässt sie auf Kosten aber sitzen. Und die sind immer höher, als vorher geplant war, im Fall von London das Zehnfache, 25 Milliarden Pfund. Ein Gutachten nannte den Münchner Host-City-Vertrag sittenwidrig - aber die Münchner haben das IOC mit seinen Winterspielen 2022 zum Glück auf die Straße gesetzt, meint Demba, ein dicker Schelm blitzt in ihren braunen Augen.

Dass es überhaupt so etwas gibt wie einen olympischen Gedanken, streitet die Wahl-Berlinerin ab. Und sie ist überzeugt, dass das viele so sehen. Auch wenn Demba sich bei der letzten Olympia-Bewerbung 1990 einen Haufen Feinde gemacht hat. Nicht nur bei den Grünen, für die sie damals im Abgeordnetenhaus saß. Von Unbekannten wurde sie angefeindet, musste sich sogar an die Polizei wenden, aber darüber redet sie nicht gern. Sie hat viele verärgert mit dem Video, das sie 1992 mit zwei Olympia-Gegnern an IOC-Funktionäre übergeben hat. In dessen Schlussszene wiegt ein schwarz vermummter Mann einen Pflasterstein in der Hand. Wirft ihn ein paar Mal wie zur Probe in die Luft. Streckt den Mittelfinger in die Kamera und sagt: »We are waiting for you« - wir warten auf euch.

Seitdem muss sie sich rechtfertigen. Sie sei eine verkappte Straftäterin, würde Gewalt verherrlichen. »Die Olympia-Hasserin ist zurück« titelte kürzlich die B.Z., darüber lacht Demba. Auf eine Diskussion um politische Mittel lässt sie sich nicht ein. »Der Diskurs macht mich wahnsinnig, weil er immer nur von einer Seite hinterfragt wird.« Gewalt, das sei doch auch, wenn Menschen auf der Straße schlafen müssen. Oder wenn das Militär zur WM in Brasiliens Favelas einmarschiert. Demba betont trotzdem: Verurteilt wurde sie wegen des Videos nie.

Mit einem so großen Aufschrei habe sie damals einfach nicht gerechnet. »Man, war ich da naiv«, hört man oft von ihr. Auch, wenn es um die DDR und ihr Leben darin geht. In Lauchau geboren, machte sie die Lehre zur Chemiefacharbeiterin in Schwedt. Dann endlich: Berlin. Mit der Stelle beim Kreisvorstand des Freien Deutschen Gewerkschaftsbunds (FDGB) Köpenick tauchte sie tief ein in die Politik. Den Kreisvorsitzenden vergötterte sie, ein »richtiger alter Kommunist«: »Er war wie aus den Büchern, die ich als Mädchen gelesen habe.« »Die Weiße Birke«, »Ich greife an«, »Wie der Stahl gehärtet wurde«. Demba sagt: »Ich wollte den Sozialismus voranbringen.«

Die Ernüchterung kam bald. Ihr Umweltengagement kam nicht gut an, dessen immanente Kritik sowieso nicht. »Ich hasste, wie die Funktionäre die Menschen behandelten.« Wenn Kaffee knapp wurde, hatten die immer noch ihre Kanäle. Nach nur etwa einem Jahr verließ Demba die SED. Der FDGB-Kreisvorsitzende, ein neuer, hatte kein Verständnis: »Willst du etwa als popelige Arbeiterin versauern?«, fragte er, es war gut gemeint. »So ein Verräter!«, grübelte Demba. Sie dachte an Ausreise, vielleicht nach Holland. »Ich meinte: Die haben keine Gardinen, das müssen offene Menschen sein.« Und da ist der Schalk wieder: »So naiv dachte ich damals!«

Demba machte weiter. Beim Werk für Fernsehelektronik, ihrer neuen Stelle, gründete sie die erste »Ökogruppe« und wurde Gorbi-Fan. Einmal seien sie und eine Freundin fast wegen einem Umweltplakat im Auto »mitgenommen« worden. Da hätten sie so viel »Zeck gemacht«, dass Passanten einschritten. Das war schon 1988. Ein Jahr später gründete sie die Grünen der DDR mit, zog 1990 ins Berliner Abgeordnetenhaus, an der Seite von Renate Künast und Wolfgang Wieland. »Das war ein toller Haufen«, sagt Demba heute. Die Grünen Anfang der 90er, das sei eine Ausnahme gewesen unter allen Parteien. 1999 war das vorbei: Als Joschka Fischer für den Kosovo-Einsatz der Bundeswehr stimmte und die Landesgeschäftsstelle die Proteste dagegen räumen ließ, trat Demba aus. Aber noch einer dritten Partei gab sie eine Chance: 2007 trat Demba in die LINKE ein. Arbeitete in den Brüsseler Büros von Tobias Pflüger und Jürgen Klute und wurde Geschäftsführerin der Fraktion in Nordrhein-Westfalen.

Ihre zwei Kinder sind mittlerweile erwachsen, und müde wirkt Demba noch lange nicht. Noch einen »Kaffe«, dann sind aber wirklich die Lampen dran. Kein Problem: »Ich habe ja viel Erfahrung mit Auf- und Abbau.«

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