Mit Power am »Fichtenmoped«
In Thüringen wird ein Motorsägekurs nur für Frauen angeboten
Mit fachmännischem Griff prüft Birgit Domeinski die Spannung der Kette an ihrer Motorsäge. Alles in Ordnung, sie nickt zufrieden. Neben ihr gibt Forstwirtschaftsmeister Ralf Götze Tipps, wie man eine Säge am besten startet: »Am Besten an was Böses denken«, sagt er zu Erika Schmutzler, die noch etwas zu zaghaft am Starterseil gezogen hat. Schließlich erwacht auch ihre Säge laut brummend zum Leben: »Von mir aus kann es losgehen«, sagt sie.
Die beiden Frauen sind zwei von drei Teilnehmerinnen des ersten Motorsägekurses für Frauen, der in Thüringen angeboten wird. In drei Tagen lernen sie von Götze alles, was zum fachgerechten Umgang mit dem »Fichtenmoped« dazu gehört. »Die Sicherheit steht natürlich im Vordergrund«, sagt er. »Die hohen Unfallzahlen der vergangenen Jahre sprechen Bände darüber, wie wichtig das ist. Zumal ja nur die Schlimmen überhaupt gemeldet werden.« Vom Aufbau einer Motorsäge über Wartungsarbeiten bis hin zum sicheren Fällen von Bäumen steht alles auf dem Lehrplan. Sogar, wie man stumpfe Ketten eigenhändig schärft.
»Beim Schärfen ist uns auch der einzige wirkliche Unterschied zwischen Frauen- und Männerkursen aufgefallen«, sagt Domeinski. Die typische Körperhaltung beim Feilen der Kette könnten Frauen nur sehr schwer einnehmen. »Die Brust ist im Weg«, bringt sie das Problem mit einem Grinsen auf den Punkt. »Aber mit ein bisschen rumprobieren haben wir es schnell geschafft, doch eine vernünftige Position für die Arbeit zu finden.«
Alle drei Frauen wollen den Umgang mit der Motorsäge lernen, um selbst im Wald Holz machen zu können. In Thüringen darf das seit dem vergangenen Jahr nur noch, wer einen Motorsägenschein vorweisen kann, der bei einer zertifizierten Stelle gemacht wurde. »Gerade bei Waldbesitzern, die 20 Jahre selbst vor sich hingewerkelt hatten, stieß das Anfangs auf großes Unverständnis«, sagt Götze. Er ist einer von sechs Kursleitern bei der Forstverwaltung Thüringenforst und hält etwa 20 Kurse pro Jahr mit je rund 15 Teilnehmern ab. Das Ganze ist zudem kein billiger Spaß: 170 Euro werden pro Person fällig. Wer selbst Wald besitzt, zahlt 90 Euro. »Aber am Ende waren die meisten froh, den Kurs mitgemacht zu haben. Jeder hat dabei etwas gelernt.«
Selbst Holz zu machen liegt derzeit in Deutschland im Trend. »Seit den 1990er Jahren haben wir einen deutlichen Zuwachs bei der Nachfrage«, beschreibt der Sprecher der Forstverwaltung Thüringenforst, Horst Sproßmann, die Lage. Rund elf Millionen Kubikmeter Holz für Kamine und Öfen wurde dem statistischen Bundesamt zufolge 2013 in Deutschland geschlagen.
An diesem Vormittag steht der zweite Praxisteil für die Frauen auf dem Programm - mit erhöhtem Schwierigkeitsgrad. Mit Sägen und allerlei Werkzeug in der Hand geht es in ein Waldstück in der Nähe von Gehren im Ilmkreis. Der Boden ist noch feucht und federt bei jedem Schritt, es riecht modrig. »Heute geht es darum, wie man einen Baum trotz eines ›Hängers‹ sicher fällt«, erklärt Götze. Gemeint ist der Fall, dass sich Bäume in den Kronen anderer Bäume verheddern und nicht einfach umstürzen.
»Wir provozieren Hänger absichtlich, damit die Absolventen auch mit schwierigen Situationen klar kommen«, sagt Götze. »Einfach Bäume umsägen kann ja jeder.« Nach dem dreitägigen Kurs dürfen die Frauen Bäume bis zu 35 Zentimeter Durchmesser fällen. »Damit bin ich besser qualifiziert als mein Mann - der darf nur liegende Bäume bearbeiten, weil er nur den Ein-Tages-Kurs absolviert hat«, sagt Domeinski nicht ohne Stolz. Dass es sich im Kreis von Frauen angenehmer lernt, darüber sind sich alle einig. »Männer sind schon recht machohaft, manchmal«, sagt Domeinski. »Man traut sich, mehr zu fragen, wenn man unter sich ist«, ergänzt Schmutzler.
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