Heraus aus dem Kassendschungel

Schweizer stimmen über Volksinitiative zur Einheitskasse ab

  • Sabine Hunziker, Bern
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Schweizer dürfen am Sonntag über eine soziale Krankenversicherung abstimmen - bereits im Vorfeld gibt es einen Erfolg

Laut Umfragen sind die Schweizer mit den Krankenkassen nicht zufrieden. 2012 bezahlten 449 000 Krankenversicherte ihre Prämien nicht, obwohl die Versicherung obligatorisch ist. So will ein nationales Initiativkomitee, bestehend aus den Grünen und der Sozialdemokratischen Partei (SP), dieses Gesundheitssystem ändern. Per Volksentscheid soll eine soziale Krankenversicherung durchgesetzt werden. In der Verfassung soll künftig festgelegt sein, dass die soziale Krankenkasse von einer nationalen Einrichtung geführt wird.

Jeder Kanton würde demnach eine einheitliche Prämie festlegen, sie einziehen und die Leistungen vergüten - also ein föderalistisches System. Der bürokratische Pseudowettbewerb der rund 60 Krankenkassen würde wegfallen, die Prämien weniger steigen und doch eine gute Versorgung gewährleistet sein. So könnten die jährlich rund 225 Millionen Werbe-Franken (186 Millionen Euro) und 100 Millionen Franken für Kassenwechsel gespart werden. Daneben gäbe es weiter private Zusatzversicherungen, Spitäler, Praxen und Pflege.

Die Abstimmung zur »Einheitskasse« findet am 28. September statt. Doch für eine Zustimmung sieht es nicht gut aus. Die Gegner verfügen über rund fünf Millionen Franken, um gegen die Initiative mobil zu machen - die Initiatoren haben nur 250 000 Franken zur Verfügung. »Die Asymmetrie der Mittel ist also ziemlich krass. Die Gegner können sich erlauben, eine starke (Lügen-) Propaganda zu betreiben, und wir sind leider stets in der Defensive«, meint Jacques Tissot vom SP-Sekretariat.

Tatsächlich gibt es viele Inserate, Studien und Positionspapiere der Gegner. Die Helsana-Krankenkasse nennt die Initiative eine »Scheinlösung« mit Folgen wie »reduzierter Wahlfreiheit« bei den Kassen oder der »Rationierung medizinischer Leistungen«. Weitere Argumente bürgerlicher Parteien oder der Krankenkassen sind angeblich steigende Kosten durch fehlenden Wettbewerb oder Wartezeiten für Behandlungen. Es werde ein »Einheitspatient« geschaffen. Die Kritiker meinen, ähnliche Modelle im Ausland funktionierten nicht gut: In Österreich könne man seine Kasse nicht frei wählen. Frankreich habe niedrigere Beiträge, dafür seien die Leistungen schlechter. Nationale Gesundheitssysteme wie in Großbritannien und Italien fielen klar ab.

Der Bundesrat hält zwar am aktuellen System fest, arbeitet aber an einer Verbesserung: Demnächst wird über ein neues Aufsichtsgesetz abgestimmt, das die Kassen unter Kontrolle des Bundesamts für Gesundheit stellt. Mit diesem Kontrollinstrument kann das Amt über den Einsatz der Prämiengelder wachen, nicht plausible Prämien erhöhen oder senken und Fehlverhalten der Versicherer korrigieren und sanktionieren. »Die Initiative für eine öffentliche Krankenkasse hat den Gesetzesprozess für eine verstärkte Aufsicht kaum beschleunigt«, meint Susanne Steffen vom Verband großer Krankenversicherer wie CSS oder Sanitas. Das Aufsichtsgesetz wurde vor der Initiative beim Parlament eingereicht.

Vergessen wird dabei, dass der Kampf für einen Systemwechsel bei der Kassenfinanzierung schon länger dauert: es gab bereits 2003 und 2007 Volksinitiativen. »Die Initiative hat unabhängig vom Resultat real viel bewirkt«, resümiert denn auch SP-Medienverantwortlicher Michael Sorg.

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