Revolution im Radsport
Weltverbandspräsident Brian Cookson löst seine Wahlversprechen ein
Brian Cookson steckt sich hohe Ziele. »Wir wollen der bestgeführte Sportverband der Welt werden und im Antidopingkampf den Ton angeben«, kündigte der Brite auf dem UCI-Kongress am Rande der Rad-WM im spanischen Ponferrada an. Das klingt sehr vollmundig. Cookson scheint aber fähig, auch zu liefern. Von seinem Wahlprogramm, das ihm beim letzten UCI-Kongress den überraschenden Sieg gegen den so cleveren, aber mit Korruptionsvorwürfen belasteten Pat McQuaid bescherte, hat er schon einige Punkte konstruktiv auf den Weg gebracht.
Erste Impulse zur Entwicklung des Frauenradsports sind gesetzt. Erstmals sitzt mit der Australierin Tracey Gaudry eine Frau auf dem Vizepräsidentenstuhl der UCI. »Frauen sind innerhalb der UCI weiter auf dem Vormarsch. Die Stellen werden aber nicht nach Quote, sondern nach Kompetenz besetzt«, versicherte Gaudry »nd« in Ponferrada. Die Frauen bewegen auch fachlich etwas. Es gibt neue Rennen wie La Course, das Eintages-Rennen zum Abschluss der Tour de France, und einen Internetlivestream der Weltcuprennen.
»Es weht ein neuer Wind. Die neue Kommission für Frauenradsport unter Tracey Gaudry entwickelt viele Ideen. Statt zu klagen, geht es konstruktiv zu«, meint Kristy Scrymgeour, Rennstallchefin der neuen Doppelweltmeisterin Lisa Brennauer. Scrymgeour weiter: »Der Stellenwert des Frauenradsports innerhalb der UCI ist jetzt deutlich gewachsen. Wurde er viele Jahre nur als Amateursport betrachtet, so gilt er jetzt als professioneller Sport, der weiter professionalisiert wird.«
Die wichtigsten Wahlversprechen von Cookson sind allerdings die Aufklärung der Dopingvergangenheit im Radsport und die Verbesserung des Antidopingsystems. Auch da geht es voran. Die zur Aufarbeitung gegründete Wahrheitskommission befragte Doper aller Länder. Sie will Anfang 2015 ihren Abschlussbericht vorlegen. Weil sich offenbar noch nicht alle schwarzen Schafe zur Kommission bemühten, verschärfte Cookson die Gangart. »Wahrheit kommt vor dem Verzeihen«, sagte er in Ponferrada - und forderte recht unverblümt Radsportmanager mit Dopingvergangenheit auf, vor der Kommission auszusagen. Direkte juristische Druckmittel hat er nicht. Aber bei der Lizenzierung der Rennställe durch die UCI spielen auch ethische Faktoren eine Rolle. Reuige Rennstallmanager könnten da Punkte bringen.
Im Antidopingmanagment sorgte Cookson für eine formale Trennung der UCI und der Antidopingkontrolleinheit CADF. Für größeres Aufsehen sorgte in Ponferrada die von Cookson vorangetriebene Entscheidung des Management Committees, ab Januar 2015 ein unabhängiges Antidopingtribunal einzurichten. »Es soll für alle Eliteathleten, Männer wie Frauen, in allen Radsportdisziplinen gelten«, erklärte Cookson »nd«.
»Das neue Tribunal soll verhindern, dass nationale Verbände in Verdacht eines Interessenkonflikts geraten, wenn sie über Dopingvorwürfe eigener Spitzenathleten entscheiden«, meinte er. Das ist sehr behutsam formuliert. Denn wie wenig fähig und wie wenig gewillt die Verbände in der Vergangenheit waren, gegen eigene Stars vorzugehen, zeigte etwa die lasche Auswertungsarbeit in Spanien gegen die Verdächtigen in der »Operacion Puerto«. Auch die Verzögerungstaktiken im Clenbuterolfall Alberto Contadors waren dort kein Ruhmeszeichen. Ebenso wenig kann man den Aufklärungswillen vom Bund Deutscher Radfahrer und der Nationalen Antidoping Agentur bezüglich des Freiburger Dopingsystems als energisch bezeichnen. Die italienische Sportjustiz und die US-amerikanische Antidoping-Agentur sind da wesentlich weiter. Das internationale Tribunal soll nun für Gleichbehandlung sorgen. Ein für den in viele Instanzen zerklüfteten und von Eigeninteressen durchsetzten Weltsport ein geradezu revolutionäres Vorgehen.
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