Czaja geht containern

Senat will in den kommenden Monaten 2200 neue Heimplätze für Asylsuchende errichten

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Land Berlin vollzieht bei der Unterbringung von Asylsuchenden eine radikale Kehrtwende: Statt in Hostels und Wohnungen sollen die Flüchtlinge bald in sechs bis acht Containerdörfern leben.

Für Flüchtlinge ist Berlin häufig eine der ersten Anlaufstellen. Allein im September erreichten 1309 Asylsuchende die Hauptstadt – ein neuer Höchststand. Insgesamt 11 500 Asylbegehrende erwartet der Senat nach jüngsten Schätzungen in diesem Jahr. Wenig überraschend, aber dennoch neu ist, dass inzwischen ein Großteil der Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten in Syrien, Irak und der Ukraine kommt. »Wir erkennen bei den Herkunftsländern Veränderungen, die sich an den Konfliktherden dieser Welt orientieren«, sagt Sozialsenator Mario Czaja (CDU).

Um die Menschen in Berlin unterbringen zu können, steuert der rot-schwarze Senat jetzt um. 130 Mitarbeiter beschäftigen sich inzwischen beim Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) mit der Aufnahme von Flüchtlingen. Weitere Abordnungen sind angefragt. Darüber hinaus plant der Senat eine Wende in der Unterbringungspraxis. »Das Land Berlin errichtet auf landeseigenen Grundstücken sechs bis acht Containerdörfer«, erklärte Czaja am Dienstag in der Senatspressekonferenz im Roten Rathaus. Die schnell und effizient für einen »mittleren zweistelligen Millionenbetrag« zu errichtenden Sammelunterkünfte sollen bis Anfang 2015 fertig sein. Sie sollen über die Stadt verteilt liegen. Noch in diesem Jahr sollen die beiden ersten Container stehen: Pro Standort sollen sie 200 oder 400 Menschen Platz bieten, insgesamt will der Senat so 2200 neue Plätze errichten.

»Das sind keine Notunterkünfte, sondern allen Qualitätsstandards für Sammelunterkünfte entsprechende Einrichtungen«, betont Czaja. Sollte in Zukunft die Zahl der Asylsuchenden wieder sinken, könnten die Containerdörfer für studentisches Wohnen, Wohnungslose oder die Kältehilfe genutzt werden. Für die Unterbringung müsse auch nicht wie bisher Miete an private oder soziale Träger gezahlt werden. Die Federführung für das Vorhaben liegt bei der Projektgruppe, die der Senat im August eingerichtet hatte. Unterstützung kommt auch von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, damit die Genehmigungsverfahren für die Containerdörfer schnell über die Bühne gehen, bei der Suche nach Grundstücken war der Liegenschaftsfonds involviert, aus dessen Portfolio die Standorte ausgewählt wurden.

Zu den Qualitätsstandards bei der Unterbringung der Flüchtlinge gehört unter anderem auch, dass die Beschäftigten in Berliner Unterkünften seit kurzem polizeiliche Führungszeugnisse vorweisen müssen. Vorfälle wie aktuell in Nordrhein-Westfalen, wo Sicherheitsmitarbeiter Flüchtlinge drangsaliert haben, soll es in Berlin laut Senat nicht gegeben haben.

Bei Opposition und Flüchtlingsorganisationen stoßen die neuen Pläne Czajas auf massive Kritik. »Container sind für Waren und nicht für Menschen da«, sagt die Sprecherin des Berliner Flüchtlingsrates, Martina Mauer, dem »nd«. Neben der schlechten Außenwirkung stehe zu befürchten, dass sehr einfache Container verwendet werden, die schlecht isoliert sind und in denen es keine abgeschlossenen Wohneinheiten gibt, sondern gemeinschaftliche Bäder und Küchen.

Für die oppositionelle Linkspartei sind Czajas Containerpläne gar ein Rückfall in die Neunziger. »Jetzt wird wieder stigmatisiert und ausgegrenzt«, kritisiert die Abgeordnete Elke Breitenbach. Den flüchtlingspolitischen Sprecher der Piraten, Fabio Reinhardt, ärgert besonders, dass die Entwicklung seit zwei Jahren absehbar gewesen sei. »Wenn man die gleiche Aktivität damals gezeigt hätte, dann hätte Berlin heute vernünftige Häuser, die noch in Jahrzehnten für soziale Zwecke genutzt werden könnten«, sagt Reinhardt. »Jetzt gibt es 2000 Plätze in fünf Monaten, die in fünf Jahren verrottet sind.«

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