Nazis wollen SA-Führer huldigen
Partei »Die Rechte« will in Niedersachsen marschieren
Hells Angels und auch Neonazis haben schon mehrmals für Angst und Unruhe in dem 700 Einwohner kleinen Güntersen im Süden Niedersachsens gesorgt. Nun droht dem unweit Göttingen gelegenen Dorf erneut ein braunes Spektakel. Die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestufte Partei »Die Rechte« hat für den 28. Februar 2015 eine Demonstration in Güntersen angemeldet. Dabei wurde laut Göttingens Kreissprecher Ulrich Lottmann angekündigt, »dass im Rahmen der Veranstaltung am Ehrenmal auf dem Friedhof ein Kranz in Gedenken an Horst Wessel niedergelegt werden soll«.
Das Datum haben die Radikalen offenbar wegen der Nähe zu Wessels Todestag gewählt. Der SA-Mann war Führer einer besonders brutalen Einheit der hitlerschen Schlägertruppe. Am 23. Februar 1930 wurde Wessel in Berlin erschossen. Von einem KPD-Mitglied, befanden damals Polizei und Justiz. Die Kommunistische Partei stritt das ab, nach ihrer Darstellung war Wessel bei einem Streit zwischen Zuhältern von einer Kugel getroffen worden. Das NS-Regime erhob den Getöteten zum »Blutzeugen der Bewegung«, das nach ihm benannte Horst-Wessel-Lied »Die Fahne hoch« wurde zur Hymne der Hitlerdiktatur.
Einen direkten Bezug zu Wessel, der seinerzeit in Berlin beerdigt wurde, hat Güntersen nicht. Womöglich ist die Ortswahl einem leitenden Mitglied der Rechten-Partei zu »verdanken«: Mario M., der schon bei Hells-Angels-Meetings im kleinen Ort gesehen wurde. Der Rocker-Club verbreitet Angst in Güntersen. Mehrmals haben sich dort »Angels« aus ganz Deutschland in einem Gasthof getroffen. Aus ihren Reihen seien Bürger bedroht worden, heißt es in Medienberichten.
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD), der unlängst im Landtag zur Situation in Güntersen Stellung nahm, sagte den Menschen dort »größtmögliche Unterstützung« zu und berichtete, es gebe keine Hinweise auf eine Unterwanderung oder Politisierung der Rocker durch die rechte Szene. Die in Güntersen bestehenden Kontakte des Rechten-Führungsmitglieds seien »rein persönlicher Natur« und stünden nicht mit den Aktivitäten der Hells-Angels in Zusammenhang. Inwieweit es rechtliche Mittel zum Unterbinden der Wessel-Feier gebe, könne derzeit nicht prognostiziert werden. »Seien sie versichert, dass wir alle Möglichkeiten ausschöpfen werden«, versprach der Minister.
Sowohl von der Politik als auch von Bürgerinnen und Bürgern dürfen die Horst-Wessel-Verehrer Gegenwind erwarten. Göttingens Landrat Bernhard Reuter (SPD) erklärte unlängst, er sehe »Ansatzpunkte für ein rechtlich tragfähiges Verbot« der Veranstaltung.
»Das Land akzeptiert weder das Agieren der Hells Angels noch Auftritte der rechten Szene in Güntersen«, bekräftigte die innenpolitische Sprecherin der Landtags-Grünen, Meta Janssen-Kucz, im Gespräch mit »nd«. Es sei wichtig, dass alle Instrumente des Rechts genutzt werden, um das Erscheinen dieser Gruppen dort zu verhindern.
Eine Resolution gegen den braunen Spuk soll der Göttinger Kreistag verabschieden, fordert dessen LINKEN-Fraktion. Ihr Vorsitzender Eckhard Fascher konstatiert, die Wessel-Feier störe das friedliche Zusammenleben und betreffe nicht allein Güntersen, sondern den gesamten Landkreis. Eindeutig müsse sich das Kommunalparlament gegen die antidemokratische Ideologie der Neonazis positionieren.
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