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Eindrücke aus der Folterhölle

Nora Strejilevich berichtet über das Grauen der argentinischen Diktatur

Sie war eine der grausamsten Militärdiktaturen Lateinamerikas: die Argentiniens in der Zeit von 1976 bis 1983, die Videla-Viola-Bignone-Galtieri-Diktatur, denn diese vier Militärs lösten sich in den sieben Jahren der Schreckensherrschaft ab. Keiner beschrieb ihr Motto prägnanter als General Ibérico Saint-Jean, Gouverneur der Provinz Buenos Aires: »Zuerst werden wir alle Untergrundkämpfer umbringen; danach deren Unterstützer; dann die Sympathisanten, später die Gleichgültigen und zum Schluss die Zaghaften.«

Geschätzt 30 000 Argentinier und Argentinierinnen, aber auch Deutsche wie Elisabeth Käsemann und Holger Zieschank wurden ermordet oder sind verschwunden. Nora Strejilevich hat Gefängnis und Folter überlebt, im Gegensatz zu vier nahen Verwandten, darunter ihr Bruder Gerardo.

Nora Strejilevich gehört der jüdischen Minderheit Argentiniens an, die damals rund ein Prozent der Bevölkerung stellte, aber rund acht bis zehn Prozent der sogenannten Desaparecidos, der Verschwundenen, weil jüdische Argentinier und Argentinierinnen überproportional in den Gesellschaftsgruppen vertreten waren, die von den Militärs besonders erbarmungslos verfolgt wurden - Studenten, Fachkräfte und Dozenten.


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* Nora Strejilevich: Ein einzelner vielfacher Tod. Hentrich & Hentrich. 194 S., br., 17,90 €.


Nora Strejilevich, mit 26 Jahren 1977 von den Militärs verschleppt, legt mit ihrem Buch ein beeindruckendes Zeugnis der Schrecken der Diktatur ab. Dabei handelt es sich nicht allein um ihre Lebensgeschichte, sondern um eine Collage unterschiedlicher Elemente: autobiografische Passagen stehen neben dokumentarischen Zeugnissen wie kurze Auszüge aus den Berichten zur Aufarbeitung der Diktaturverbrechen Nunca más (Niemals mehr) und der Nationalen Kommission zum Verschwinden von Personen CONADEP. Persönliche Briefe, Zitate von Literaten, von Personen des Zeitgeschehens - darunter komplett schulduneinsichtige Militärs - komplettieren die Mischung, die in ihrer Aneinanderreihung nicht immer einfach zu lesen ist, aber immer spannend. Als häufiges Stilmittel, um die unterschiedlichen Passagen zu verbinden, benützt die inzwischen in den USA als Literaturdozentin lebende Argentinierin die Anadiplose, bei der die letzten Worte am Anfang des nächsten Absatzes wiederholt werden.

Die Collage beschreibt im ersten Teil die Zeit und den Alltag im Gefängnis, von ihr, von Mitgefangenen, von Zeitzeugen, von Überlebenden, die partielle Informationen über das Schicksal Verschwundener wie des Bruders Gerardo haben. In der zweiten Hälfte des Buches geht es um die Schwierigkeit, mit dem Erlebten weiter zu leben und um die Aufarbeitung dessen in der Gesellschaft der Postdiktatur. »Vergiss nicht, das Vergessen zu vergessen.« Dieses Zitat des argentinischen Schriftstellers Juan Gelman ist dabei eine Richtschnur. Gelman selbst konnte erst nach langen Jahren der Recherche im Jahr 2000 seine Enkeltochter Macarena Gelman in Uruguay ausfindig machen, wo sie von einem Militärangehörigen adoptiert worden war. Die Eltern verschwanden als »Subversive« von der Bildfläche.

»Wir haben nicht alle das Gedächtnis verloren. Wir, die sogenannten Überlebenden, kehren heute zum Gelände des Club Atlético zurück«, schreibt Nora Strejilevich 17 Jahre nach dem Putsch vom 24. März über die Rückkehr an den Ort des Schreckens. Das Vergessen ist vergessen. »Worte, die geschrieben wurden, damit sie dort ausgesprochen werden, an diesem Ort, der weder Staub noch Zelle ist, sondern ein Chor von Stimmen, die sich diesem bewaffneten Monolog widersetzen, der aus so vielen Leben einen einzelnen vielfachen Tod machte.« Diesem vielstimmigen Chor hat Nora Strejilevich ein literarisches Denkmal errichtet.

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