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Das Kriminalistenleben, es entwickelt sich
Henner Kotte in Leipziger Amtsstuben und Vorgärten
Deutsche Krimis heutzutage leben vom Lokalen. Man sollte Tatorte, Kneipen, Landsleute, Redensarten und vielleicht auch die Polizeipräsidien wiedererkennen können. So fehlt denn in Henner Kottes Krimi, der mitten in Leipzig und an seinem Seen-Südrand spielt, der Satz von der zufälligen Handlung und den nicht wirklichen Personen.
Kotte hat zwei Kriminalfälle um einen Schwarm von Ermittlern herumgebaut: Da gibt es den neu ernannten, einsamen, nach Sex gierenden Kriminaldirektor Thorst Schmitt, zu dessen Inthronisation auch Bruno Ehrlicher erscheint, als den wir Peter Sodann kennen. Dessen Nachfolgerin Saalfeld alias Thomalla wird im Roman zu Recht als grauenhaft bezeichnet. Schmitts einstiger Vorgesetzter und jetziger Untergebener Lars Kohlund wähnt mit seiner Familie alles in Ordnung; er ist Chef der Mord Eins und hat den Fall eines Jugendlichen am Hacken, der in Frauenkleidern tot im Dreck eines alten Braunkohlenlochs und künftiger Erholungslandschaft gefunden wurde. Mord Zwo wird von der Schabowski geleitet, die sich grad unrettbar in einen Rechtsanwalt verliebt hat und ihn am liebsten nur in ihrem Bett hüten würde. Doch in Akten und Medien rumort eine seit drei Monaten vermisste demente Frau. Mitarbeiter Michalk ist unanständig karrieregeil und lässt Bagger und Einsatzgruppen anrollen, um einem vermuteten Mord wahrlich auf Grund zu gehen. Ein anderer Kriminalist, Mergenthin, schwul, sitzt im Rollstuhl und hat eine DDR-Vergangenheit, über die man vielleicht im nächsten Kotte-Krimi mehr erfährt. Mergenthin begegnet einem Jugendfreund, der mit Mutti und Hund Mandy zusammenlebt und zufällig den Toten im Dreck gefunden hat: Das Leipziger Personal von Ureinwohnern aus der Märchenwiese bis zu den zugezogenen Wessis vermehrt sich, dehnt sich, tritt auch mal über die Ufer in Leipzigs Neuseenland - doch der Autor führt alle am relativ kurzen Bändel, wie es in Sachsen heißt. Jedem Ermittler könnte man fürderhin einen eigenen Fall anvertrauen.
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* Henner Kotte: Der Pianist ohne Gedächtnis. Krimi. Mitteldeutscher Verlag. 288 S., br., 29,95 €.
Kotte packt Leipziger Historie in seine Geschichten, vom Reichsgericht bis zum Sachsensumpf, beschreibt die Fressgass, die in Leipzig nicht Fressgass heißt und die Schwulenbar, die ohnehin niemand kennt. Die Frau aus dem Taunus sehnt sich nach ihrer Hügel-Heimat und findet hier alles nur fad. Der Autor achtet auf einheimisches Wortgut, das westdeutsch-falsche Plastik heißt korrekt Plaste oder Plast. Er lässt aber auch den guten alten Phlox zu Flox werden und das Niesen zu Nießen - eine (weitere) Korrektorenhand hätte diesem Text gut getan. Denn Kotte gehört nicht zu den bewusstlosen Schreibern, die Sprache nehmen, wie sie halt so da ist. Er arbeitet mit Redensarten, Bildern, Metaphern - da fallen fehlende Verben und dem Computer zum Opfer gebrachte Satzteile doppelt auf.
Hübsch satirisch sind die juristischen Kabalen wegen eines angeblich zu kurzen Hundehalsbandes, um deshalb angedrohte Erzwingungshaft und die Schriftsätze, die daraus resultieren - vermutlich enthält diese Satire mehr Wahrheit, als man glauben möchte. Auch die Entdeckung der Todesumstände des im Dreck gefundenen Halbwüchsigen zieht Advokatensprache nach sich. Kottes Krimi hat eine gehörige Portion Bösartigkeit in sich, die man wohl realistisch zu nennen hat.
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