Sei Kiez. Sei Kult. Sei hochqualifiziert
Berliner IHK geht auf einer Konferenz der Frage nach, wie gut die Stadt ihre ausländischen Fachkräfte aufnimmt
Berlin, dieser Sehnsuchtsort für viele. Mit offenen Armen empfängt die Stadt vor allem die, die mit Studienabschluss kommen, besonders gerne Fachkräfte aus dem IT-Bereich, Ingenieure, Mediziner oder Wissenschaftler. Bis 2030, so prognostizieren Gewerkschaften und Kammern, würden 200 000 Fachkräfte in der Stadt fehlen. Ohne Arbeitskräfte aus dem Ausland ist diese Lücke nie zu schließen. Wie sehr bemühen sich Berlin und seine Unternehmen aber um ihre ausländischen Mitarbeiter, damit die sich in ihrer neuen Heimat auch wirklich wohlfühlen? Die Industrie und Handelskammer Berlin (IHK) bemühte sich am Montag um eine Bestandsaufnahme und lud verschiedenste Akteure zur Konferenz »Gut ankommen! Willkommenskultur für internationale Mitarbeiter in Berlin« ins Ludwig-Erhard-Haus.
Burkhard Volbracht, bei Berlins Wirtschaftswerbeagentur Berlin Partner für junge Talente zuständig, ließ zum Einstieg einen kurzen Film laufen, der die Stadt zuerst als Kultur- und Partymetropole, dann - weniger ausführlich - als Hightech- und Forschungsstandort anpries. »Es gibt Unternehmen wie SAP, die müssen ihren Firmensitz Walldorf attraktiv machen, Berlin hat das umgekehrte Problem und muss sich als Arbeitgeber positionieren«, sagte er. In Berlin gebe es viele interessante, aber eben nur kleinere Arbeitgeber, die kein einheitliches Bild abgeben, was sich wiederum im Ausland komplizierter vermarkten ließe.
Im letzten Jahr kamen knapp 30 000 EU-Bürger nach Berlin. Vor allem junge Polen, Italiener und Spanier zieht es in die Hauptstadt. Wer langfristig bleiben will, braucht nicht nur einen Job, sondern will in den meisten Fällen auch seine Familie mitnehmen. »In der Stadt ist Wohnen schon lange ein heikles Thema, was auch für uns eine Herausforderung ist«, sagte Domenica Gerike vom Welcome Center der Technischen Universität. Gerade Forscher und ihre Familien aus Asien, die nicht in den Gästeappartements der Uni unterkommen, seien bei Mieten über 500 Euro für ein kleines Zimmer erst mal verblüfft. Die nächste Herausforderung wartet dann auf der Suche nach einem Kita- oder Schulplatz. Laut dem Landesamt für Statistik stieg die Zahl der ausländischen Kinder und Jugendlichen unter 15 Jahren im Jahr 2013 um 2600. Wohl nur die wenigsten werden sich einen Platz auf einer bilingualen Privatschule wie der Berlin-Brandenburg International School, die sich auf der Konferenz ebenfalls vorstellte, leisten können. Ein Schuljahr in Kleinmachnow kostet zwischen 12 000 und 18 000 Euro.
Wer aus dem nicht EU-Ausland mit einem anerkannten Hochschulabschluss, einem sicheren Job und einem Mindestgehalt von 46 400 Euro brutto im Jahr nach Berlin kommt, hat quasi den Jackpot geknackt und kann die Blaue Karte beantragen, die eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis für vier Jahre sichert. »Studierten Menschen werden gerne Tür und Tor geöffnet, allen anderen sollte das Leben in Berlin auch leichter gemacht werden«, sagte Jürgen Bulst, Geschäftsführer der Gesellschaft für Heizungstechnik, der mit seinem Vortrag als Letzter dran war, dann aber auch ein bisschen von dem berichtete, was diesseits des Uniabschlusses Realität ist. »Ausbildungsberufe werden immer technischer und komplexer, aber das Gehalt bleibt gering«, sagt er. Das schrecke nicht nur deutsche, sondern auch ausländische Fachkräfte ab.
Schon die Anerkennung von Abschlüssen ist mit Kosten verbunden. Zeugnisse und Ausbildungsinhalte müssen beim entsprechenden Berufsverband überprüft und verglichen werden. Bei der IHK kostet das 400 Euro und wird nur teilweise von der Arbeitsagentur übernommen. Wer seinen Abschluss nur teilweise anerkannt bekommt, muss mit Gehaltseinbußen rechnen oder sich weiterbilden. Zwischen April 2012 und Februar 2014 haben in Berlin nur 243 Menschen einen Antrag bei der IHK gestellt. 71 davon haben ihren Abschluss voll anerkannt bekommen, 55 nur teilweise.
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