Gewinn und Gesellschaft
Eine Brandenburger Stahlbaufirma versucht sich in linkem Unternehmertum
Es dauert an diesem Morgen nur eine gute halbe Stunde, bis ein Auftrag bei Sroka Stahlbau eingeht. Ein älterer Mann in Blau platzt in das kleine Büro, in der Hand hält er ein paar Unterlegscheiben. Die, sagt er, müsse man ein wenig »uffstanzen«. Joachim Sroka nickt. »Geh kurz zu Heiko«, sagt er und macht eine Notiz. Solche »Aufträge« - hier seitens des benachbarten Lkw-Services - sind gar nicht so selten für Joachim Srokas kleine Stahlbaufirma im Gewerbegebiet von Kloster Lehnin, Ortsteil Damsdorf. Es hat sich in der Gegend nämlich herumgesprochen, dass in seiner geräumigen Halle etliche Maschinen stehen, die auf dem flachen Land zwischen Potsdam und Brandenburg/Havel längst nicht mehr jeder hat, der sie hin und wieder brauchen kann. So besitzt Sroka etwa Maschinen, die ein Dreimeterblech sauber schneiden und abkanten können. Es kommt gar nicht so selten vor, dass kleinere Betriebe aus der Gegend einfach einen oder zwei Arbeitsschritte in Auftrag geben, für die ihnen das Werkzeug fehlt, sagt der Chef hinter seinem papierbeladenen Schreibtisch.
Es ist eine alte Weisheit, dass auch Kleinvieh Mist macht. Leben freilich könnten weder Sroka noch seine insgesamt sechs Beschäftigten von solchen Kleinaufträgen. Spezialisiert ist sein kleines Unternehmen in der Hauptsache auf Lagersysteme für andere Metallbetriebe: Regale zum Aufbewahren von Material etwa, bei denen sich eine mit bis zu drei Tonnen beladene »Schublade« mit zwei Fingern der linken Hand aufziehen lässt. »Wir bieten maßgeschneiderte Lösungen für Betriebe an, die zu klein dafür sind, sich ein groß in Serie produziertes Lagersystem zu installieren«, sagt Sroka. »Unsere Kernkompetenzen liegen im Prototypen- und Sonderkonstruktionsbau sowie in der Fertigung von Kleinstserien«, heißt es auf der Internetseite.
Natürlich sei das ein Nischenmarkt, sagt Sroka, doch mit etwas Beharrlichkeit ernähre er seinen Mann. Sroka Stahl- und Anlagenbau jedenfalls hat sich einen gewissen Ruf aufgebaut. Nicht ohne Stolz berichtet der Chef von einem Mittelständler »im Schwäbischen«, der just noch einmal einen größeren Posten an Lagerelementen nachbestellt habe.
Darüber hinaus erlaube es ein Unternehmen dieser Größe, flexibel zu bleiben: Sollte es in ein paar Jahren mal wieder schlechter gehen mit dem Maschinen- und Anlagenbau, hat Sroka einen Plan B: Klein-Windkraftanlagen für den Hausgebrauch. Wirklich installiert seien von denen bisher nicht mehr als eine Handvoll, auch wegen baurechtlicher Hürden. Sroka glaubt aber an die Zukunft solcher dezentralen Stromaggregate, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der sich ausbreitenden Elektromobilität. Für die »Entwicklung und den Umbau eines zuvor militärisch genutzten Teleskopmastes zu einer mobilen Test- und Vorführanlage für Kleinwindkraftanlagen« hat Joachim Sroka beim Nachhaltigkeits- und Innovationspreis des Landkreises Potsdam-Mittelmark vor zwei Jahren immerhin schon eine Auszeichnung bekommen, und 2013 schüttelte ihm gar Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) in Sachen Kleinwindanlagen die Hand.
Joachim Sroka ist also ein ganz normaler Kleinunternehmer aus Brandenburg - und auch wieder nicht. Wer sich mit ihm unterhält, bemerkt schnell ein gewisses Hadern mit der Unternehmerrolle: Nicht jeder Firmenchef würde in anderthalb Stunden Gespräch gleich zwei- oder dreimal betonen, dass nun mal Profite gemacht werden müssen, wenn man ein Unternehmen führen will. Entsprechend kurvig verlief Srokas Weg in seinen etwas abgewetzten Chefsessel: Bis 1988 war der Ingenieur technischer Offizier bei der NVA, dann wurde seine Stelle abgebaut und er selbst begann eine Umschulung zum Managementassistenten. Nach 1990 war er zu stolz, etwa bei der Bundeswehr anzuklopfen und, womöglich unter Inkaufnahme einer Degradierung, unter neuer Flagge einfach weiterzumachen. Stattdessen stürzte er sich ins Getümmel der Bauwirtschaft - mit unterschiedlichen Erfahrungen.
Der Branchenwechsel in Richtung Stahl- und Anlagenbau, den er schließlich zwischen 2003 und 2005 vollzog, verlief nicht ganz freiwillig. Mit seiner ersten Firma geriet er mitten in die Implosion einer branchentypischen Kette aus Subunternehmen; anschließend war es gar nicht so leicht, abermals Fuß zu fassen. Für die Usancen der Bauwirtschaft, sagt Sroka mit einem Kopfschütteln, sei er wohl »nicht gnadenlos genug« gewesen. Bis heute sei er sehr vorsichtig, wenn es um Bauaufträge gehe.
Schließlich soll es nach seinen Begriffen beim wirtschaftlichen Handeln nicht nur um Profit gehen. Ein Unternehmen, sagt Sroka, »muss Gewinn machen, aber das ist nur eine seiner Kernaufgaben«. Ökonomisches Handeln müsse immer auch in »gesamtgesellschaftlichen Zusammenhängen« gesehen werden und auch dem Gemeinwohl dienen - anders als etwa viele Banken, die »unterhalb von 25 Prozent Profiterwartung gar nicht erst anfangen« mit dem Wirtschaften.
Der Widerspruch zwischen dem Profitprinzip und dem Gemeinwohl, der sich hier abzeichnet, ist ein Thema, das Joachim Sroka offenbar gehörig umtreibt - und ihn bereits vor 20 Jahren zum Kleinunternehmerverband OWUS führte, der der Linkspartei nahesteht, wenngleich es auch enge Kontakte zu Sozialdemokraten, Grünen und Piraten gebe; inzwischen sitzt Sroka bei OWUS sogar im Vorstand. Sein Verband setze sich zunächst konkret für die Interessen kleiner Unternehmen ein, etwa für eine Vereinfachung von Förderrichtlinien und Ähnlichem, die für Kleinunternehmen kaum zu handhaben seien - wie auch das Kurzarbeitergeld in Krisenmomenten. Doch daneben ist OWUS vor allem eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten, denen ihre Rolle ähnlich zu denken gibt wie Joachim Sroka.
Um auf die Gretchenfrage »linken« Unternehmertums eine Antwort zu finden, hat sich der »Offene Wirtschaftsverband von kleinen und mittelständischen Unternehmen, Freiberuflern und Selbstständigen e. V.« die »Gemeinwohl-Ökonomie« auf die Fahnen geschrieben - die sich nach einem Modell des österreichischen Wirtschaftsethikers Christian Felber sogar konkret messen lässt. Sroka gehört zu den noch wenigen deutschen Unternehmen, die sich die Mühe machen, eine »Gemeinwohlbilanz« zu erstellen, die das Unternehmen an anderen Kriterien als bloß dem Gewinn messen will. Dienen soll die zusätzliche Bilanzprozedur hauptsächlich einer Weiterentwicklung anhand des Gemeinwohlgedankens - eher nebenbei verspreche man sich einen »positiven Marketingeffekt«, schreibt Sroka in seinem »Gemeinwohlbericht«.
Negativkriterien wie die »Verhinderung eines Betriebsrates« kann Sroka ausschließen; bei anderen Punkten will sich das Unternehmen verbessern, etwa bei den Finanztransaktionen, die nach Felbers Konzeption über »ethische« Banken abgewickelt werden sollten. Einen »ökologischen Fußabdruck« des Unternehmens hat Sroka noch nicht ermittelt, als problematisch schätzt der selbstkritische Bericht auch die Beheizbarkeit der Betriebshalle ein, die in den 1970er Jahren als Landmaschineninstandhaltungswerk gebaut wurde. Weiterbildungen werden gefördert, Frauen und Männer seien »grundsätzlich gleichgestellt«. Ingesamt landet das Unternehmen in einem mittleren, neutralen Bereich.
Offen spricht Sroka auch über Entlohnung. Zwar könne er den Tarif des Metallhandwerks nicht bezahlen, doch seien die Grundlöhne ortsüblich und liegen über dem politisch angesteuerten Mindestlohn. Jüngst erst hat Sroka mit Blick auf denselben ein neues Entlohnungssystem installiert: Da Spezialisten mehr verdienen müssten als etwa eine Hilfskraft mit Mindestlohn, kommen auf den Grundlohn nun leistungsbezogene Prämien, über die Sroka wöchentlich entscheidet. Bis 500 Euro im Monat sind möglich, meist schütte er etwa achtzig Prozent aus. Das ist keine Lohnfindung nach dem Gusto der IG Metall. Allerdings beträgt die Lohnspreizung laut Bericht nur in etwa zwei zu eins. Das ist eine Marke, die vermutlich nicht viele erreichen.
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