Deutsche Waffenexporte: Gabriel bekräftigt sein Jein
Grundsatzrede vor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik offenbarte das Dilemma des Bundeswirtschaftsministers
Es schlagen zwei Herzen in der Brust des Sigmar Gabriel. Da ist zum einen das Herz der SPD-Chefs, der seinen Sozialdemokraten zum Image einer Friedenspartei verhelfen möchte und deshalb deutsche Rüstungsexporte als »Geschäft mit dem Tod« brandmarkte. Das zweite Herz ist das des Bundeswirtschaftsministers, der die deutsche Rüstungsindustrie und ihre Arbeitsplätze eigentlich protegieren müsste. Insofern war die Grundsatzrede, die Gabriel am Mittwoch in den Räumen der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik hielt, der Versuch, beiden Herzen gleichermaßen zu folgen. Doch die im Vorfeld als »richtungsweisend« angekündigte Rede erwies sich größtenteils als fader Aufguss bereits bekannter Sentenzen des schwergewichtigen Sozialdemokraten.
Seine Kernthese etwa, wonach Rüstungsexporte kein Instrument der Wirtschaftspolitik, sondern der Außen- und Sicherheitspolitik seien, hatte er bereits im Juli formuliert. Gabriel sieht die Zuständigkeit für die unappetitlichen Exporte beim Außenministerium und würde sie wohl allzu gern an seinen Parteifreund Frank-Walter Steinmeier delegieren. Doch in dieser Legislatur dürfte es nichts mehr werden mit dem Outsourcing von Verantwortung.
Auch Gabriels Ankündigung, Rüstungsexporte in Länder außerhalb von EU und NATO einzuschränken, ist nicht neu. Tatsächlich hatte er das im Sommer ähnlich formuliert und damals die Lieferung eines Gefechtsübungsstands an Russland gestoppt. Gabriel verwies in diesem Zusammenhang auf das Grundgesetz und das sich daraus ableitende Kriegswaffenkontrollgesetz. Demzufolge gebe es auf Genehmigungen für Waffenausfuhren »keinen Anspruch«. Ein Export in Drittstaaten, die nicht zur NATO oder zur westlichen Wertegemeinschaft gehörten, sei »restriktiv zu handhaben«.
Bereits im Sommer machte ihm die Rüstungsindustrie deshalb die Hölle heiß. Kein Wunder, gingen doch 2013 etwa 60 Prozent aller deutschen Waffenlieferungen in Drittstaaten wie Katar, Saudi-Arabien und Indonesien. Selbst als Rheinmetall und Co. ihre Betriebsräte nach Berlin schickten, um Gabriel die beschäftigungspolitischen Auswirkungen seiner neuen Exportbeschränkung deutlich zu machen - angeblich sind 98 000 Arbeitsplätze in Gefahr -, blieb der Minister standhaft. Zumindest offiziell.
Die jüngsten Exportgenehmigungen lassen Zweifel aufkommen an der zur Schau gestellten Zurückhaltung. Erst vor wenigen Tagen nickte der Bundessicherheitsrat den Export von Transportpanzern und Spähfahrzeugen nach Katar ab. Grünes Licht gab es auch für die Ausfuhr von Bergepanzern, Waffenstationen und Aufklärungssystemen nach Saudi-Arabien. Die beiden Golfmonarchien werden despotisch regiert, heizen den Krieg in Syrien an und gelten als Unterstützer von islamistischen Terrorgruppen wie dem IS.
Die Deals stehen im Widerspruch zur neuen Exportethik des Ministers, der am Mittwoch gar den marxistischen Historiker Eric Hobsbawm zitierte. Oder eben doch nicht. Man muss es nur dialektisch begründen. So betonte Gabriel, dass es durchaus »legitime Interessen« gebe, »welche Exporte rechtfertigen können«. Er wandte sich gegen einen generellen Stopp deutscher Rüstungsexporte in die arabische Welt. Sie seien »ein Element im Rahmen einer Strategie«. Da man gleichzeitig auch die kurdischen Peschmerga, die den den IS bekämpfen, mit Waffen unterstützt, bleibt die deutsche Strategie für Laien rätselhaft.
Zum Schluss seiner Rede wandte sich Gabriel persönlich an die hiesigen Waffenschmieden. Er forderte den Erhalt von »nationalen Kernkompetenzen« der Rüstungsindustrie und empfahl dieser einen strikten Konsolidierungskurs sowie »verstärkte Industriekooperationen« auf EU-Ebene. Gabriel riet den Rüstungsfirmen, sich stärker auf Demokratien als Kunden zu konzentrieren und zivile Geschäftsfelder zu erschließen.
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