NSA-Skandal: Hans-Christian Ströbele hat »erhebliche Wut«
16. Sitzung des NSA-Untersuchungsausschusses: Bundesregierung lügt und trickst
Zur Sitzung des NSA-Untersuchungsausschusses sind für den Donnerstag nur zwei Zeugen geladen. »Frau RDn Dr. F.« sowie »A.F.«. Wenn es schon so geheim in der Einladung steht, kann man davon ausgehen, dass es eine kurze Sitzung wird. Jedenfalls für die Öffentlichkeit. Denn die beiden Zeugen arbeiten beim Bundesnachrichtendienst (BND). Und zwar an maßgeblichen Stellen. Die Frau Regierungsdirektorin ist seit rund zwei Jahren die Datenschutzbeauftragte des Auslandsgeheimdienstes und gehörte auch davor zur Leitungsebene des BND. Ihr Kollege ist auch verantwortlich für die Beachtung der Persönlichkeitsrechte von ins Schleppnetz des Dienstes Geratene. Er soll die Einhaltung des »G-10-Gesetzes« sicherstellen, dem Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses.
Dass der BND der US-amerikanische National Security Agency (NSA) bei deren weltweiter Elektronikspionage zu Diensten ist, ist ein offenes Geheimnis. Dennoch wollen zumindest die Ausschussmitglieder der Opposition, also LINKE und Grüne, wissen, welche Dateien wie erhoben wurden, welche Programme man dafür nutzte, wie die Tauschgeschäfte zwischen NSA und BND abliefen. Es geht um die Speicherung von Daten und Filter, die sicherstellen sollten, dass keine Informationen über deutsche Staatsbürger an die US-Geheimdienstler weitergegeben wurden. Denn das wäre ungesetzlich. Doch genau das ist vermutlich millionenfach und über viele Jahre hinweg geschehen. Und man nutzte dabei nicht nur, was dem BND beispielsweise über seine Horchstation in Bad Aibling bei Rosenheim durch die Luft zuflog.
Der Informant Edward Snowden, einstiger NSA-Mitarbeiter und seit gut eineinhalb Jahren Hauptinformationsquelle zur Enttarnung der NSA-Operationen, hatte behauptet, dass über den Internetknoten in Frankfurt am Main allerlei aus den Lichtleiterkabeln gefischt wird. Und zwar vom BND, der seine Schätze an die NSA weiterreicht. Also fragte der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele die Bundesregierung Mitte Juli: Inwieweit trifft es zu, dass der BND aus dem Frankfurter Glasfaser-Netzknoten selbst - oder mit mit Hilfe des Betreibers, der DE-CIX-Management GmbH, Rohdaten abzapft, verarbeitet und weiterreicht. Ströbele gab den Zeitraum 2004 bis 2007 an. Die Antwort erteilte Klaus-Dieter Fritsche (CSU), im Kanzleramt zuständig für die Geheimdienstkoordination. »Der BND«, formulierte der Staatssekretär aus Merkels Umfeld, »hat im angefragten Zeitraum weder selbst noch mit Hilfe des Betreibers ... Rohdaten aus im Raum Frankfurt erfassten Telekommunikationsverkehren automatisiert an die NSA weitergeleitet.«
Als Ströbele voriges Wochenende in der »Süddeutschen Zeitung« von einer »Operation Eikonal« las, war ihm klar: Genau das hatte Snowden gemeint, danach hatte er gefragt, genau das hat die Regierung im Sommer bestritten. Die NSA lobte die Operation als »Kronjuwel der strategischen Kooperation« mit dem BND. Nun liegen »Eikonal«-Dokumente mit der Einstufung »Streng geheim« in jenen Akten, die das Kanzleramt dem Untersuchungsausschuss übergeben hat.
Er habe, so der allzu dreist belogene Ströbele, »eine erhebliche Wut auf die Bundesregierung«. Sie ist vermutlich zum Sitzungsbeginn am Donnerstag noch nicht verraucht. Zumal der Ausschuss mit zahlreichen weiteren Hürden zu kämpfen hat. Ganz oben auf der Klageliste stehen die oft völlig willkürlich geschwärzten Akten. Bundesregierung und Dienste versuchen offen oder mit allerlei Tricks zu bestimmen, was die Abgeordneten erfahren dürfen und was nicht. Ein probates Mittel ist die Formulierung der Aussagegenehmigungen für die Zeugen. Man darf auf die Genehmigungen für Frau RDn Dr. F. und A.F. gespannt sein.
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