Mit dem Wassereimer am Stausee
Silvia Ottow wundert sich nicht über die sinkende Anzahl von Frauen in den Aufsichtsräten deutscher Unternehmen
Der manierierte Ekel vieler Politikerinnen und Unternehmerinnen vor der Frauenquote gleicht dem freiwilligen Versuch, den Stausee mit dem Wassereimer zu füllen, anstatt einfach die Wehre zu öffnen. Dass solcherlei Zurückhaltung, die mitunter auch auf Kumpanei hinausläuft, nicht viel bringt, zeigt sich jetzt. Der ohnehin magere Bestand an weiblichem Führungspersonal verringert sich - trotz aller Appelle und trotz der eifrigen Lobbyarbeit eines eigens dafür gegründeten Oberschichtvereins. Es nutzt offenbar wenig, wenn sich ein paar Führungsfrauen mit der Bundeskanzlerin fotografieren lassen oder unentwegt Pressekonferenzen abhalten.
Allerdings lenken die bedauernswerten Zustände in den großen Aufsichtsräten den Blick vom eigentlichen Problem ab: Frauen verdienen in Deutschland für die gleiche Arbeit 25 Prozent weniger, sie werden mit Herdprämien von Erwerbsarbeit weggelockt, müssen in deutlich größerem Umfang als Männer ihre Mini-Einkommen mit staatlichen Leistungen aufstocken und mit mangelhafter Kinderbetreuung in ihrem Umfeld leben. Als Rentnerinnen werden sie dann noch einmal für ihr Geschlecht bestraft. Warum kann man denn das nicht ändern? Vielleicht würde ein bisschen mehr Gerechtigkeit da unten auch die da oben mutiger machen.
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