Kein »Burgwall« ums Biotop

Ein Bürgerbegehren soll Berlins größtes Wohnungsbauprojekt stoppen

  • Bernd Kammer
  • Lesedauer: 3 Min.
In Lichterfelde-Süd sollen 2500 Wohnungen entstehen. Anwohner kritisieren dies als überdimensioniert und unsozial.

Mit ihren Bauprojekten stoßen Senat und Bezirke auf wenig Gegenliebe. Nach den Volks- und Bürgerentscheiden zum Tempelhofer Feld und zur Kleingartenkolonie Oeynhausen in Wilmersdorf wollen auch andere Bürgerinitiativen diese Instrumente gegen Bauprojekte vor ihrer Haustür einsetzen.

Auf geballte Kritik stößt auch das derzeit größte Wohnungsbauprojekt der Stadt in Lichterfelde-Süd. Auf dem einstigen US-Truppenübungsplatz »Parks Range«, einem 96 Hektar großem Areal an der Grenze zu Brandenburg, will die Groth Gruppe für 800 Millionen Euro rund 2500 Wohnungen für etwa 7000 Menschen bauen. Reihenhäuser und Doppelhaushälften sind geplant, aber auch Mehrgeschosser und sechs Hochhäuser mit jeweils zwölf Stockwerken. »Überdimensioniert und unsozial«, lautete der Tenor auf einer Einwohnerversammlung, zu der am Montagabend das Aktionsbündnis Landschaftspark Lichterfelde Süd eingeladen hatte. »Der Flächenverbrauch durch die Reihenhäuser ist viel zu groß«, sagt Helmut Schmidt vom Aktionsbündnis, die Sechs- und Zwölfgeschosser würden die bestehenden Wohnquartiere »wie ein Burgwall abschotten«.

Vor allem befürchtet das Bündnis Auswirkungen auf die bestehenden Mieten. »Der Mietspiegel wird steigen«, prophezeit Schmidt. Zwar sollen 500 Wohnungen von landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften errichtet und für 6,50 Euro pro Quadratmeter angeboten werden, aber das sei viel zu wenig. »Hier wird fürs Establishment gebaut«, sagt er mit Blick auf die Reihenhäuser, »ohne zu bedenken, dass die Leute immer weniger Geld im Portemonnaie haben.« Die Initiative fordert, dass mindestens die Hälfte der Wohnungen zu sozial verträglichen Mieten angeboten wird. Völlig unklar sei auch die verkehrliche Erschließung des neuen Wohngebiets. Das Bündnis rechnet mit 3000 zusätzlichen Pkw. Die Straßen seien aber kaum ausbaubar und würden schon den derzeitigen Verkehr kaum aufnehmen können.

Von der Politik sieht sich die Initiative über den Tisch gezogen. Gern zitiert sie Steglitz-Zehlendorfs Bezirksbürgermeister Norbert Kopp (CDU), der noch vor einem Jahr versprochen hatte, eine zweite Thermometersiedlung werde es nicht geben. Dieser ab Ende der 60er Jahre errichtete Komplex liegt dem geplanten Bauprojekt gegenüber und gilt als sozialer Brennpunkt. Kopp habe ursprünglich zugesagt, dass die Zahl der Wohnungen neuen 1500 nicht übersteigt.

Damit könnte sich auch die Initiative anfreunden, »denn wir sind nicht gegen Wohnungsbau«. Sie verweist auf Gutachten des Bezirksamtes, wonach in Lichterfelde-Süd höchstens 27 Hektar als Bauland ausgewiesen werden können. Das würde 1500 Wohnungen entsprechen. Nach den Wünschen der Groth Gruppe sollen es jetzt aber 43 Hektar werden, also knapp die Hälfte der Parklandschaft. Was auch den Naturschützern Sorge bereitet. Denn auf dem Areal habe sich eine einmalige Weidelandschaft mit vielen seltenen Tier- und Pflanzenarten herausgebildet, so Andreas Faensen-Thiebes vom BUND. »Je umfangreicher die Randbebauung, desto größer die Bedrohung für Wechselkröte, Moorfrosch, Knoblauchkröte und Zauneidechse, die alle auf der europäischen Liste der geschützten Arten stehen.«

Während das Bezirksamt darauf verweist, dass es sich erst um einen Masterplan handelt und noch lange kein Baurecht besteht, bereitet sich das Bündnis auf den Bürgerentscheid vor. »Wenn wir genug Mitstreiter finden, machen wir das«, sagte Schmidt. Die hundert ausgelegten Unterschriftszettel waren sofort vergriffen. Bevor das Begehren startet, wollen die Lichterfelder aber noch am 14. November zusammen mit der Mauerpark-Allianz, Anwohnern von Oeynhausen und anderen Initiativen, mit denen sie sich zum »Netzwerk für soziale Stadtentwicklung« zusammengeschlossen haben, zum Sitz der Groth-Gruppe am Kurfürstendamm demonstrieren.

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