Der SC DHfK auf dem Weg zu neuer Größe

Seit sieben Jahren werfen beim SC DHfK Leipzig wieder Männer Tore - auf Tuchfühlung zur 1. Bundesliga

Bis 1975 war der SC DHfK Leipzig einer der erfolgreichsten Klubs Europas, seit 2007 ist er wieder auf der Handball-Landkarte zu finden.

Ein ganz kurzer Draht zum mächtigsten Mann im Welthandball? In Leipzig kein Problem. »Wenn wir mal 20 Regelhefte der IHF benötigen, genügt ein Anruf in Basel und Hassan hilft«, berichtet Wolf-Dietrich Neiling. Hassan Moustafa ist seit 14 Jahren Präsident des Handballweltverbandes IHF, seine Karriere wurde maßgeblich in Leipzig beeinflusst. Der Ägypter studierte Sportwissenschaften an der Deutschen Hochschule für Körperkultur. 1974 absolvierte er dort auch einen Internationalen Trainerkurs. Neiling, damals wissenschaftlicher Mitarbeiter, schloss Moustafa einmal vom Unterricht aus - wegen Zuspätkommens. Getrübt hat diese Episode die Beziehung nicht, auch heute eint beide noch eine freundschaftliche Verbindung.

Die Deutsche Hochschule für Körperkultur hat die Zeit nicht überlebt. Nach der Schließung im Dezember 1990 wurden Teile von ihr der 1993 gegründeten und ebenfalls auf dem Gelände an der Jahnallee beheimateten Sportwissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig angegliedert. Das Kürzel DHfK steht im gleichnamigen Sportclub aber weiterhin für Erfolg. Nach fast 40 Jahren gilt das auch wieder für die Handballer. »Wir sind schon jetzt ein Aushängeschild des Vereins und wollen diese Rolle auch mehr und mehr ausfüllen«, sagt Karsten Günther, Geschäftsführer der im Juli 2007 gegründeten SC DHfK Handball GmbH. Mit dem 32:20-Sieg am vergangenen Sonntag gegen Eintracht Baunatal haben die Leipziger die Tabellenführung in der 2. Bundesliga übernommen und sind nach acht Spieltagen die einzig noch ungeschlagene Mannschaft.

Am Sportforum 10 - dort hat der SC DHfK Leipzig mittlerweile sein Vereinszentrum. Von der Jahnallee braucht man nur 20 Minuten zu Fuß dorthin - immer geradeaus, vorbei an der neuen Mehrzweckarena, dem ehemaligen Schwimmstadion, von dem nur noch die verwahrloste Nordtribüne erhalten ist. Ein blau-weißer Schriftzug verrät, wer hier irgendwann einmal einziehen soll: »Sportmuseum Leipzig«. Gegenüber leuchtet hinter der Fassade des Hauptgebäudes des ehemaligen Zentralstadions die neue RedBull-Arena. Es folgen großflächige Trainingsplätze, Sporthallen, Krafträume.

Wenn die Straße Am Sportforum die Linkskurve zum Elsterbecken macht, ist man angekommen beim einem der erfolgreichsten Sportvereine der Welt. Fast 120 olympische Medaillen und mehr als 350 Weltmeistertitel haben Athleten des SC DHfK in den zurückliegenden 60 Jahren gewonnen: im Radsport durch Täve Schur oder Jens Lehmann, in der Leichtathletik mit Margitta Gummelt oder Thomas Munkelt, im Kanurennsport mit Christian Gille oder Anett Schuck, im Turnen durch Klaus Köste. Die Handballer gehörten in den Anfangsjahren dazu, sie sorgten von 1959 an mit sechs Meistertiteln in acht Jahren für Furore. Höhepunkt war der Sieg im Europapokal der Landesmeister am 22. April 1966 gegen Honved Budapest in Paris. Wolf-Dietrich Neiling spielte damals unter anderen mit Peter Randt, Erwin Kalderasch und dem späteren DDR-Nationaltrainer Paul Tiedemann. 1975 mussten die Handballer den Maßgaben der sportpolitischen Entscheidungsträger Folge leisten und sich dem SC Leipzig anschließen. Die Abteilung Handball, am 20. September 1954 Gründungsmitglied des SC DHfK, verschwand für lange Zeit.

Vom Eingang des Klubzentrums sind es nur ein paar Schritte zur Gaststätte »Am Wasserfall«. Sie ist offen für jedermann, aber natürlich auch ein Treffpunkt für Aktive und Mitglieder des Sportclubs. Karsten Günther sitzt an einem der urigen Holztische. Er hat sich Zeit genommen, obwohl er davon nicht sehr viel hat. Später warten noch der Trainerstammtisch des Gesamtvereins SC DHfK und danach sein Büro auf ihn, wo er noch die Vorstandssitzung der Handball GmbH vorbereiten muss. Hektisch wirkt der 32-Jährige aber keineswegs. Die Ruhe des Erfolgs? Mag sein: Nachdem die Handballabteilung der SG Motor Gohlis-Nord zum 1.7. 2007 mit knapp 150 Mitgliedern zum SC DHfK gewechselt war, spielten die Männer in der Oberliga Sachsen und der Etat betrug 50 000 Euro. Der ist mittlerweile auf 1,4 Millionen Euro angewachsen, und die Handballer spielen bereits im vierten Jahr zweitklassig. In der vergangenen Saison platzte der Traum vom Aufstieg in die 1. Bundesliga erst am vorletzten Spieltag mit einer Niederlage in Aue. In dieser Spielzeit scheint er greifbar nah.

»Als wir vor der vergangenen Saison Christian Prokop für drei Jahre als neuen Trainer verpflichtet haben, war das Ziel, innerhalb seiner Vertragslaufzeit aufzusteigen«, berichtet Günther, »also spätestens in der kommenden Saison.« Bei der Verpflichtung des gebürtigen Kötheners spielte ein großer Name der jüngeren Handballgeschichte eine entscheidende Rolle: Stefan Kretzschmar. Er ist seit 2009 Aufsichtsratsmitglied der SC DHfK Handball GmbH. Der ehemalige Welthandballer und Prokop kannten sich schon aus gemeinsamen Zeiten beim SC Magdeburg. »Stefan Kretzschmar ist ein ganz entscheidender Bestandteil im Gesamtkonzept. Ohne ihn hätten wir Christian Prokop nicht bekommen. Stefan ist Impulsgeber und wichtiger Kontaktknüpfer«, erzählt Günther. An ein Beispiel erinnert sich Günther besonders gern zurück: Als sich die Leipziger Handballer 2011 als Meister der Oststaffel für die Aufstiegsspiele zur zweiten Liga qualifiziert hatten, holte Kretzschmar kurzerhand den französischen Weltmeister und Olympiasieger Joël Abati und den jugoslawischen Weltklassetorwart Goran Stojanović. »Plötzlich spielten zwei Stars bei einem Drittligateam«, scheint sich Karsten Günther immer noch ein wenig darüber zu wundern.

Berlin, Hamburg, Mannheim: Führende Handballklubs wie die Füchse, der HSV oder die Rhein-Neckar Löwen wollten Stefan Kretzschmar 2009 nach seiner Spielerkarriere und Managertätigkeit in Magdeburg haben. Dass er sich für den SC DHfK entschieden hat, spricht auch für das Leipziger Projekt - einerseits. Andererseits: »Ohne Stefan wären wir nicht da, wo wir jetzt sind. Er hat uns viel Glaubwürdigkeit in einer Phase verschafft, in der uns alle belächelt haben, als wir über Bundesligahandball gesprochen haben. Als er plötzlich mitgemacht hat, hat man uns ernst genommen«, erinnert sich Karsten Günther. So ganz aus dem Nichts kam die Entscheidung von Stefan Kretzschmar für Leipzig nicht: Die ersten fünf Jahre seines Lebens verbrachte der heute 41-Jährige hier. Seine Mutter Waltraud spielte beim SC Leipzig und wurde dort, wie auch in der DDR-Nationalmannschaft, von seinem Vater Peter trainiert. Beide feierten zusammen viele große Erfolge. Ein sehr früher war der Sieg im Europapokal der Landesmeister gegen HG Kopenhagen - im gleichen Jahr wie die Männer des SC DHfK. 1966 war Leipzig die Handballhauptstadt Europas.

Davon ist die Stadt heute weit entfernt. Über Jahre sorgten nur die erfolgreichen Frauen des HC Leipzig für Schlagzeilen. »Der Männerhandball in Leipzig war tot«, stellte Stefan Kretzschmar 2009 fest. Eine breit und gut geförderte Schwerpunktsportart wie der Frauenhandball ist er auch heute noch nicht. Aber dass er so eindrucksvoll auferstanden ist, macht einigen Angst. Denjenigen widerspricht Karsten Günther: »Wir sind keine Gefahr für den Frauenhandball, auch wenn viele es hier in Leipzig immer noch so sehen.« Er sieht vielmehr zwei verschiedene Sportarten, die eben nicht um einen gemeinsamen Pool von Fans und Sponsoren kämpfen.

Der Trainerstammtisch wartet schon, Karsten Günther aber blickt noch einmal sieben Jahre zurück: »Wir wollten uns in eine funktionierende Einheit eingliedern«, nennt er einen Grund für den Wechsel. Anfangs habe man sehr von der Infrastruktur des Sportclubs profitiert. Mittlerweile stellen die Handballer 400 der insgesamt 6500 Mitglieder des SC DHfK, der heute noch 16 Sportabteilungen hat. Der ausschlaggebende Faktor war damals aber ein anderer: »Gäbe es diese Historie nicht, wären wir nie auf die Idee gekommen, zu diesem Verein zu gehen. Ohne die Erfolge aus den 60er Jahren würde es das neue Projekt gar nicht geben.«

Früher und auch heute wieder dabei: Wolf-Dietrich Neiling. Der 71-Jährige, immer noch Referent und Ausbilder an der Sportwissenschaftlichen Fakultät, unterstützt das Projekt von Beginn an. Und es hat sich wahrlich gut entwickelt. Die Handballer spielen nicht mehr in der Ernst-Grube-Halle, sondern in der neuen Arena - mit durchschnittlich 1800 Zuschauern haben sie die zweithöchsten Besucherzahlen in der zweiten Liga. In der Arena trainieren sie auch. Vor drei Jahren tingelten sie für ihre Einheiten noch durch die Stadt und mussten nach dem Training die verschiedenen Hallen wischen. Auch die Nachwuchsarbeit ist auf einem beachtlichen Niveau angekommen. Mit der Eliteschule des Sports besteht eine enge Kooperation, auch in der ersten Mannschaft sind noch drei Sportschüler. Die B-Jugend wurde vergangene Saison Deutscher Meister.

Bis aber »das Logo des SC DHfK wieder in der europäischen Handballöffentlichkeit Beachtung« findet, wie es sich Neiling jüngst zur 60-Jahr-Feier des Sportclubs wünschte, wird wohl noch etwas Zeit vergehen. Gearbeitet aber wird daran: Um die Vorzüge des gesamten Sportforums - von der eigenen Haustür bis zur Jahnallee - nutzen zu können, und beispielsweise nicht mehr einen städtischen Kraftraum mieten zu müssen, will der Klub den Männerhandball wieder als Schwerpunktsportart in Leipzig etablieren. Erst dann kann auch er von den vielfältigen Möglichkeiten des Olympiastützpunktes profitieren. Immerhin: Die jetzigen Sponsoren haben ihre Bereitschaft signalisiert, den Etat im Falle des Aufstiegs um eine Million Euro zu erhöhen. Wenn die Mannschaft so weiterspielt, könnte sie sich diesen Traum schon in einem halben Jahr erfüllen.

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