Serbien und Albanien beschuldigen einander

Beiden Mannschaften droht nach den Schlägereien auf dem Platz sogar ein Ausschluss aus der EM-Qualifikation

  • Thomas Brey, Belgrad
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit dem Spielabbruch in der EM-Qualifikation zwischen Serbien und Albanien ist der Fall längst nicht erledigt. Während alle auf die Reaktion der UEFA warten, gehen bei den Betroffenen die Emotionen hoch.

Die Politiker schieben sich nach dem Fußballdebakel auf dem Balkan gegenseitig die Schuld in die Schuhe. Noch immer bekämpfen sich Serben und Albaner auch außerhalb des Stadions. In Nordserbien brannten am Donnerstag, zwei Tage nach dem abgebrochenen EM-Qualifikationsspiel, albanische Bäckereien. In der Serbenhochburg Mitrovica zündeten Albaner serbische Fahnen an. Funktionäre der Serben fordern, das Skandalspiel zu ihren Gunsten zu werten, während die Albaner über schwere Tätlichkeiten gegen ihre Nationalspieler klagten.

»So viel Hass habe ich noch nie erlebt«, sagte Albaniens Co-Trainer Altin Lala, 14 Jahre lang Bundesliga-Profi bei Hannover 96. Über seine Gefühle nach der kurz vor der Halbzeit abgebrochenen Begegnung gegen Serbien in Belgrad: »Ich hatte Todesangst.« Auch zwei Tage nach den Vorfällen auf und um den Platz haben sich die Gemüter nicht beruhigt, vor allem die Medien nicht. »Die wollen Krieg mit Serbien«, titelte die Belgrader Zeitung »Kurir«. »Teuflischer Plan Tiranas«, stellte »Nase Novine« auf den Titel. »Albanien braucht noch Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte, um ein normaler Staat zu werden«, sagte Serbiens Präsident Tomislav Nikolic. Albaniens Regierungschef Edi Rama hält dagegen: »Albanien und die Albaner werden sich nicht auf dieses Niveau begeben.«

Auslöser des Spielabbruchs war eine per Fernsteuerung ins Stadion gelenkte Drohne, an der eine Fahne mit einer Abbildung Groß-Albaniens befestigt war. Bei der Aufarbeitung gibt es weiter viele Ungereimtheiten. Die Polizei will inzwischen Einzelheiten der albanischen Provokation herausgefunden haben. Demnach sei ein Albaner über den Blitzableiter auf die Kuppel der orthodoxen Kirche »Erzengel Gabriel« neben dem Stadion geklettert, wo er die Drohne platziert habe. Von dort sei sie von Edi Ramas Bruder Olsi aus der VIP-Loge ins Stadion gesteuert worden. Ein brisantes Ermittlungsergebnis, weil die muslimischen Albaner und die orthodoxen Serben traditionell ihre Intoleranz pflegen. Die albanischen Nationalisten konnten damit die serbischen Gastgeber zusätzlich demütigen.

Freiburgs serbischer Bundesliga-Profi Stefan Mitrovic hatte das Banner eingefangen, danach begannen die Tumulte. »Da kam ein Gegenstand aufs Spielfeld geflogen, den wollte ein Spieler einfach nur beseitigen, damit weitergespielt werden konnte. Für den Spieler spielt das keine Rolle, ob das ein Luftballon ist oder ein Trinkbecher oder eine Flasche«, sagte sein Vereinstrainer Christian Streich.

Die UEFA hat gegen beide Verbände ein umfangreiches Disziplinarverfahren eröffnet. Als Verhandlungstermin wurde der 23. Oktober angesetzt. Vor diesem Hintergrund sind alle Äußerungen der beiden beteiligten Fußballverbände auch als Verteidigungsstrategie zu werten, denn ihnen droht ein Ausschluss aus der EM-Qualifikation. Der serbische Verband stellte fest: »Es war ein Akt des Terrorismus, der gegen die Interessen der Republik Serbien gerichtet war.« Die Albaner erklärten, die serbischen Zuschauer hätten mit Slogans wie »Töte die Albaner« und »Tod den Albanern« für eine »extrem feindliche und aggressive Atmosphäre« gesorgt. Die Spieler seien von Zuschauern Sicherheitskräften und sogar von der Polizei angegriffen worden. Serbische Medien beklagen »Versagen von Polizei und Sicherheitsdiensten«, so die Zeitung »Danas« auf ihrer Titelseite. »Blic« kommentiert: »Was arbeiten unsere Agenten? Schlafen die? Für was erhalten diese Leute ihr Gehalt?« dpa

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