Kanzleramt droht Bundestagsabgeordneten

Altmaier glaubt an Lecks im NSA-Untersuchungsausschuss / Opposition: »Das geht überhaupt nicht« / Linksfraktion spricht von »Eskalation« / Netzpolitik.org: Das ist perfide

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Das Bundeskanzleramt hat den Mitgliedern des NSA-Untersuchungsausschusses mit Blick auf »noch ungeklärten Informationsabfluss« gedroht, »Strafanzeige gegen Unbekannt zu erstatten«. Kanzleramtschef Peter Altmaier ermahnte den Ausschuss zur Geheimhaltung sensibler Informationen und forderte den Ausschussvorsitzenden Sensburg per Brief auf, die Vertraulichkeit von als geheim eingestuften Dokumenten zu gewährleisten. Altmaier beklagte in dem Schreiben, dass mehrfach Medien aus angeblich geheimen Unterlagen zitiert hätten, die die Bundesregierung kurz vorher dem Untersuchungsausschuss zugänglich gemacht habe.

Die Opposition sprach derweil von einem Drohbrief. Die Oppositionsvertreter im Ausschuss reagierten entrüstet auf das Schreiben. Die darin enthaltenen Unterstellungen und Verdächtigungen entbehrten jeder Grundlage, sagte Linke-Obfrau Martina Renner. Sie sprach von einer »Eskalation« und forderte das Kanzleramt auf, das Schreiben zurückzuziehen. Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele nannte den Brief ein »Drohschreiben«. Den Mitgliedern des Ausschusses werde Geheimnisverrat vorgeworfen. »Ich bin darüber sehr empört«, sagte er. »Das geht überhaupt nicht.« Der Ausschuss könne so nicht arbeiten.

Das Internetportal netzpolitik.org, das eine als vertraulich eingestufte Aussagegenehmigung für Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes vor dem Untersuchungsausschuss veröffentlicht hatte, nannte Altmeiers Intervention »bemerkenswert, weil die Bundesregierung die Arbeit des Ausschusses nach allen Kräften behindert«. Und weiter: »Besonders perfide wird es vor dem Hintergrund, dass der Ausschuss überhaupt nur existiert, weil ein Whistleblower geheime Informationen der Geheimdienste an Medien gegeben hat, die diese im Rahmen ihrer Berichterstattung veröffentlicht haben. Statt Medien und Whistleblower zu verfolgen, könnte man stattdessen auch Strafanzeige gegen die größte Überwachungsmaschinerie der Menschheitsgeschichte erstatten.«

Der Untersuchungsausschuss soll die Spähaffäre rund um den US-Geheimdienst NSA aufarbeiten. Vor mehr als einem Jahr war ans Licht gekommen, dass dieser massenhaft auch in Deutschland Daten ausforscht. In der Affäre sind auch die deutschen Geheimdienste schwer in die Kritik geraten - allen voran der Bundesnachrichtendienst (BND).

Vor wenigen Tagen hatte die »Süddeutsche Zeitung« über die bislang unbekannte Operation »Eikonal« berichtet - und zwar unter Berufung auf streng geheimen Unterlagen, die die Bundesregierung dem NSA-Ausschuss vorgelegt habe. Demnach soll der BND jahrelang auch Daten deutscher Staatsbürger an die NSA weitergereicht haben.

Dieser Artikel ist in Altmaiers Schreiben ebenso genannt wie zwei weitere Presseberichte, in denen aus vertraulichen Unterlagen für den NSA-Ausschuss zitiert worden sei. Die unzulässige Weitergabe geheimer Unterlagen schade der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik Deutschlands und auch dem Aufklärungsinteresse des Bundestages, so Altmaier in dem Brief.

Altmaier will auch im eigenen Haus nach möglichen Informationslecks suchen. Das Kanzleramt werde dienstliche Erklärungen von allen Mitarbeitern einholen, die mit diesen Unterlagen befasst seien, kündigte er an. Ähnlichen Überlegungen des Bundestages könne er nicht vorgreifen.

Die Koalitionsvertreter äußerten sich gelassen. Die Obleute von Union und SPD, Roderich Kiesewetter (CDU) und Christian Flisek, sagten, sie fühlten sich durch das Schreiben nicht angesprochen. Flisek sagte, er nehme den Brief zur Kenntnis und betrachte ihn als eine Art Rechtsbelehrung. Es handele sich um ein eher belangloses Schreiben. Agenturen/nd

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