IS-Kämpfer zeigen in Video Handgranaten aus Deutschland
Syrische Beobachtungstelle: Mindestens ein US-Waffenabwurf landete bei IS / Drei US-Teenager in Frankfurt vermutlich auf dem Weg nach Syrien gestoppt
Kobane. Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) haben deutsche Handgranaten älterer Bauart präsentiert. Auf einem im Internet hochgeladenen Video packen Extremisten Granaten aus, deren Behälter die Aufschrift »DM41« tragen - die Typbezeichnung eines älteren deutschen Fabrikats. Unklar ist, aus welchen Beständen die Waffen stammen und wie sie den Weg nach Syrien gefunden haben.
Auf dem am Dienstag im Internet hochgeladenen Video zeigen IS-Kämpfer zunächst eine auf einem Feld niedergegangene Fallschirmladung. Die USA hatten zu Wochenbeginn Waffen aus kurdischen Beständen für die Verteidiger der nordsyrischen Stadt Kobane abgeworfen. Nach Angaben der syrischen Beobachtungsstelle landete mindestens ein Waffenabwurf in den Händen des IS.
Ein Bundeswehrsprecher sagte am späten Dienstagabend der Nachrichtenagentur dpa, Granaten des im Video gezeigten Typs seien nicht kürzlich an die kurdischen Peschmerga-Einheiten im Nordirak geliefert worden. Vielmehr hätten die Kurden dort das Nachfolgemodell »DM51« erhalten. Die Bundeswehr hatte die Kurden im Irak im Kampf gegen den IS mit Waffen ausgestattet. Über die »DM41«-Granaten hatte zuvor der Blog-Autor Thomas Wiegold geschrieben.
Das US-Verteidigungsministerium hält es für möglich, dass von den 28 abgeworfenen Bündeln mindestens eines versehentlich an den IS gelangte. Pentagonsprecher John Kirby sagte, bestätigen könne er Berichte, nach denen der IS die Waffen in Besitz genommen hat, aber nicht. »Die kurze Antwort ist: Wir wissen es nicht.«
Am Montag hatte das Zentralkommando in Florida noch mitgeteilt, dass in der Nähe von Kobane eine herrenlose Ladung Waffen zerstört wurde. Damit wolle man verhindern, dass diese in die falschen Hände geraten. Kirby sagte dagegen am Dienstag, dass das Bündel zwar getroffen worden sei. Ob es tatsächlich zerstört wurde, sei aber nicht klar. Selbst wenn ein Bündel sein Ziel nicht erreicht habe, sei die Erfolgsquote der Abwürfe aber äußerst hoch.
Die Kurden in Kobane wollten keine Angaben dazu machen, ob in der von den USA abgeworfenen Waffenlieferung auch deutsche Waffen enthalten waren. Der Verwaltungschef von Kobane, Anwar Muslim, sagte der Nachrichtenagentur dpa am Dienstag auf Anfrage per Telefon, er wolle dazu keine Auskunft geben, weil es sich um eine militärische Angelegenheit handele. Die deutschen Waffenlieferungen an die Peschmerga waren vor knapp einem Monat angelaufen.
Luftangriffe halten an
US-Kampfflugzeuge setzten derweil ihre Luftangriffe nahe Kobane fort. Seit Montag seien vier Angriffe geflogen worden. Dabei seien eine »große IS-Einheit« sowie weitere Stellungen der Milizen und ein von ihnen besetztes Gebäude zerstört worden, teilte das US-Zentralkommando am Dienstag mit. Im Irak zerstörten demnach Kampfflieger eine IS-Stellung nahe einer Ölraffinerie sowie südöstlich des Mossul-Staudamms. Auch Verbündete hätten Angriffe auf IS-Milizen im Irak geflogen. Alle Flugzeuge seien sicher zurückgekehrt.
Der IS hatte zuvor seinen Ansturm auf Kobane forciert. Nach Angaben der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden neue Einheiten der radikalen Islamisten aus den vom IS kontrollierten syrischen Städten Al-Rakka und Dscharabulus abgezogen. Auf kurdischer Seite waren nach Angaben der türkischen Regierung bis Dienstagabend noch keine verbündeten Peschmerga-Kämpfer aus dem Nordirak eingetroffen. Die Türkei hatte am Montag kurdischen Kämpfern aus dem Irak eine Einreiseerlaubnis nach Kobane erteilt.
Kobane: Beobachter können Giftgasangriff durch IS nicht bestätigen
Im Kampf um Kobane zweifeln Menschenrechtler bisher am angeblichen Einsatz von Giftgas durch die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). »Ich werde keine solche Behauptung aufstellen, bevor es keine Bestätigung von Befehlshabern der YPG gibt«, sagte Rami Abdel Rahman, Leiter der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte der dpa am Mittwoch. Vonseiten der YPG, der kurdischen Volksschutzeinheiten, die die umkämpfte Enklave verteidigen, gab es zunächst keine Stellungnahme. Augenzeugen aus Kobane hatten in der Nacht berichtet, zahlreiche Einwohner würden an Atemnot leiden und Symptome eines Giftgasanschlages zeigen. Ärzte vor Ort konnten einen möglichen Einsatz solcher Waffen durch den IS bisher nicht verifizieren.
Restbestände alter Chemiewaffen im Irak könnten nach Informationen der »New York Times« dem IS in die Hände gefallen sein. Die Zeitung berichtet unter Berufung auf ehemals im Irak stationierte US-Soldaten, es seien im Irak zwischen 2004 und 2011 rund 5000 Geschosse mit chemischen Kampfstoffen entdeckt worden. Der US-Geheimdienst habe die Funde unter Verschluss gehalten. Da nicht alle Giftgasbestände vernichtet worden seien, bestehe nun die Gefahr, dass der IS ihrer habhaft wurde.
Konkret bezieht sich die »New York Times« auf den Chemiewaffen-Komplex Muthanna nordwestlich der Hauptstadt Bagdad. Dort seien unter anderem Sarin-Raketen und Senfgas-Geschosse zurückgelassen worden. IS-Kämpfer hatten den Komplex Anfang Juni erobert. Die irakische Regierung versicherte Anfang Juli allerdings, alle dort vorhandenen Chemiewaffen seien in der Vergangenheit zerstört worden.
Mädchen aus USA vermutlich auf Weg nach Syrien in Frankfurt gestoppt
Drei minderjährige Mädchen aus den USA, die sich vermutlich dem IS anschließen wollten, sind am Samstag am Frankfurter Flughafen gestoppt worden. Sie seien zurück nach Denver im US-Staat Colorado zu ihren Eltern gebracht worden, sagte eine FBI-Sprecherin am Dienstag (Ortszeit). US-Medien hatten unter Berufung auf Behörden berichtet, dass das Trio offenbar auf dem Weg zu in Syrien kämpfenden Extremisten gewesen sei.
Die Bundespolizei in Frankfurt habe die Mädchen auf Wunsch des US-Konsulates und der Eltern aufgehalten, bestätigte ein Sprecher am Mittwoch. Sie seien am Sonntag freiwillig zurück in die USA gereist. Die Staatsanwaltschaft in Frankfurt ist laut einer Sprecherin wegen des Vorfalls nicht tätig geworden.
US-Medien berichteten, dass es sich um zwei Geschwister im Alter von 15 und 17 Jahren sowie eine 16-Jährige aus einer weiteren Familie handelt. Die 16-Jährige habe sudanesische Wurzeln, und die beiden Schwestern stammten aus einer somalischen Familie, berichtete die »Denver Post.« Die Schwestern hätten dem Vater vorgetäuscht, krank zu sein. Ein Sprecher der somalischen Familie sagte, die Mädchen hätten ihre Tickets vermutlich selbst gekauft. Auf Spekulationen, dass sie über die Türkei nach Syrien reisen wollten, um sich der Terrororganisation IS anzuschließen, wollte er nicht eingehen. Agenturen/nd
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