Still und heimlich in der bayerischen Provinz

Der rechtsextreme »Winkingerversand« hat in Geiselhöring in Niederbayern seinen Geschäftssitz

  • Achim Steyer
  • Lesedauer: 3 Min.
Kaum beachtet und ungestört erwirtschaften in Niederbayern Neonazis mit ihrem »Wikingerversand« große Gewinne. Nun regt sich vor Ort Widerstand dagegen.
Wirtschaftsstandort Geiselhöring. Ein ruhiger, beschaulicher Ort mit 6700 Einwohnern in Niederbayern. Nicht das Geiselhöring eine braune Hochburg wäre: Im Landkreis Straubing-Bogen haben bei den letzten Bundestagswahlen 72 Prozent der Wähler der CSU ihre Stimme gegeben, 16 Prozent entschieden sich für die SPD, alles andere tummelte sich zwischen zwei und drei Prozent. Hier scheint die bayerische Dorfidylle mit Biergarten und Schuhplattln noch in Ordnung. Aber der Schein trügt. Einer der wichtigsten Nazi-Internet-Versandläden und einer der wenigen direkten Verkaufsstellen für Nazi-Propaganda in Bayern, der »Wikingerversand«, hat hier seinen Geschäftssitz. Im Ort selbst findet man zwar selten irgendeinen Naziaufkleber an den Straßenlaternen, keine Hakenkreuze sind an die Wände geschmiert - und es findet sich auch kaum ein Hinweis auf den Versand, über den selbst das Fernsehen schon berichtete. Kurz vor dem Stadtplatz, hinter einer Textildruckerei, muss man einen Feldweg entlang, gleich links sieht man dann ein verschlossenes Gittertor, eine Klingel und eine Videokamera. Drinnen, hinter der Eingangstür, auf der kein Schild angebracht ist, wird der übliche Kitsch feilgeboten: Kaffeetassen mit dem Aufdruck »Lieber Odin statt Jesus«, Wikinger-Stoffposter und natürlich Reichskriegsflaggen. Dazwischen aber noch eindeutigere neonazistische Accecoires und Marken wie »Master Race« oder »White Power«-Feuerzeuge sowie Kissenbezüge mit den Zahlen »88« - dem unter Rechtsextremen geläufigen Zahlencode für »Heil Hitler«. Und natürlich Rudolf-Heß-Büsten. Daneben auch Propagandaschriften wie »Vom nationalen Widerstand zum nationalen Angriff« oder eine »Brandrede wider den Liberalismus«. Die Liste ließe sich fortsetzen. Zusätzlich zum schwunghaften Devotionalienhandel produziert und arbeitet der Besitzer des »Wikingerversands«, Siegfried Birl, mit diversen Neonazibands wie »Nordfront», »Sturmwehr« oder »Stromschlag« zusammen. Die Namen der Bands sprechen Bände und deuten auf die menschenverachtende Ideologie, die auf Ausländerhass, Volkstümelei und althergebrachter Nazi-Ideologie fußt. Wie viel Geld sich damit verdienen lässt, fanden unlängst engagierte »Computerhacker« heraus, denen es gelang, übers Internet Einblick in die Auftragsbücher zu nehmen: Über 40 000 Euro monatlicher Umsatz lassen die Kassen der Neonazis klingeln. Als Spross einer alteingesessenen Geiselhöringer Familie hatte der Besitzer Siegrfied Birl bisher Heimvorteil, obwohl er sich im Landesvorstand der Jungen Nationaldemokraten (JN) engagierte und enge Kontakte zu den so genannten »freien Kameradschaften« pflegte. Zu den regelmäßigen »Sonderverkaufstagen« des Versandes pilgerten Neonazis aus ganz Deutschland und dem Ausland nach Geiselhöring. Mit der Ruhe für den »Wikingerversand« soll es jetzt aber endgültig vorbei sein. Im Nachbarort Straubing gibt es schon länger eine antifaschistische Gruppe. Deren Arbeit wird jedoch durch den Geiselhöringer Bürgermeister von der Freien Wählergemeinschaft erschwert, da der statt den Neonazis der »Antifa« mit der Polizei drohte, nachdem er in einem Brief auf den Naziladen angesprochen wurde. Eine für Mai geplante Veranstaltung scheiterte an den Einschüchterungen der Neonazis gegen die örtliche Gaststätte. Stände und Flugblattaktionen führten zu Ermittlungen des Staatschutzes gegen die Linkspartei, deren Kreisvorsitzender als Anmelder für einen Informationsstand fungiert hatte. Am 2. September, einem erneuten Sonderverkaufstag des »Wikingerversandes«, wird es nun zum ersten Mal eine Demonstration gegen den Nazi-Laden im Rahmen der Kampagne »Nazis unplugged« geben.
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