Erleichterungen unter Vorbehalt
Umstrittener Asylkompromiss ist teilweise befristet
Am Mittwoch beschloss das Bundeskabinett in Berlin jenen umstrittenen Asylkompromiss, den man zusammen mit den Ländern gefunden hatte. Ursprünglich hatte die Union nur geplant, den Zuzug von Asylbewerbern aus Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina zu stoppen, indem die drei Balkanländer zu sicheren Drittstaaten erklärt werden sollten. Da aber die SPD im Gegenzug auf ein paar Verbesserungen für Asylbewerber drängte und die Grünen im Bundesrat noch weitergehende Forderungen stellten, enthält das Paket aus Gesetzesänderungen und neuen Rechtsverordnungen durchaus ein paar Verbesserungen für die Betroffenen. So soll die Residenzpflicht künftig nach drei Monaten entfallen. Bislang durften Asylbewerber und Geduldete den für sie zuständigen Landkreis nur mit Ausnahmegenehmigung verlassen. Statt einer Residenzpflicht soll nun eine »Wohnsitzauflage« eingeführt werden. »Sozialleistungen sollen dann lediglich an dem in der Wohnsitzauflage festgelegten Wohnsitz erbracht werden«, heißt es dazu aus dem Bundesinnenministerium. Also eine Residenzpflicht light. Erfreulich für die Betroffenen: Sie sollen künftig häufiger Geld- statt Sachleistungen erhalten. Somit können sie selbstbestimmter leben. Allerdings bleiben Sachleistungen weiterhin möglich.
Die wahrscheinlich tiefgreifendste Änderung ist der erleichterte Zugang zum Arbeitsmarkt. Dafür soll die sogenannte Vorrangprüfung eingeschränkt werden. Die derzeitige Rechtsverordnung geltende sieht vor, dass Asylbewerber nur dann eine Arbeit aufnehmen können, »wenn sich kein geeigneter Deutscher oder EU-Bürger dafür findet«. Diese Beschränkung fällt künftig 15 Monate nach Ankunft der Flüchtlinge in Deutschland weg. Für Asylbewerber und Geduldete, die eine Qualifikation als Fachkraft vorweisen können, soll sie ganz entfallen.
Berlin. Der Anteil der Menschen mit ausländischen Wurzeln nimmt zu, darauf wies die Migrationsbeauftragte des Bundes, Aydan Özoğuz, bei der Vorstellung des neuen Migrationsberichts hin. Jeder Fünfte hatte zuletzt einen Migrationshintergrund – 16,3 Millionen Menschen. 2005 waren es 1,3 Millionen weniger. Die größten Gruppen sind Menschen türkischer Herkunft (18,3 Prozent) und polnischer Herkunft (9,4 Prozent). Fremdenfeindliche Straftaten nehmen nach einem Rückgang seit 2011 wieder zu, 2013 im Vergleich zum Vorjahr um 11 Prozent auf 3248. Zu 97 Prozent wurden sie von rechten Straftätern begangen.
Die soziale Herkunft ist laut dem Bericht oft Ursache für Bildungserfolg oder -misserfolg. Von den Abgängern im Jahr 2012 blieben 11,4 Prozent der ausländischen Schüler an den allgemeinbildenden Schulen ohne Hauptschulabschluss – im Vergleich zu 4,9 Prozent der deutschen Schüler. Als alarmierend wertete Özoğuz, dass 30,5 Prozent der ausländischen jungen Menschen zwischen 20 und 29 Jahren ohne Berufsausbildung bleiben – drei Mal so viele wie junge Erwachsene mit deutscher Staatsangehörigkeit. Dazu bei tragen viele Unternehmen in Deutschland, die laut Özoğuz, etwa Türkischstämmige wegen ihres fremd klingenden Namens ablehnen würden. nd/dpa
Bei diesen Erleichterungen ließen sich die Beteiligten nicht nur von altruistischen Motiven leiten. Bereits im Jahre 2001 kritisierte die damalige Süssmuth-Kommission, die sich mit den Problemen der Zuwanderung beschäftigte, dass Arbeitsämter oft die Einstellung von Asylbewerbern verbieten würden, ohne dass geeignete deutsche oder EU-Bewerber zur Verfügung stünden. Die Kommission verwies in ihrem Abschlussbericht auch auf die volkswirtschaftlichen Einbußen.
Weil es in der Bundesregierung aber die Befürchtung gibt, dass die Aussicht auf Arbeit mehr Flüchtlinge anziehen könnte, wird die neue Regelung auf drei Jahre befristet. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) machte am Mittwoch deutlich, dass eine liberale Asylpolitik das Fachkräfteproblem der Wirtschaft nicht lösen werde. »Asylrecht ist keine verkappte Zuwanderungspolitik«, so der Minister. Somit stehen die Arbeitserleichterungen also unter Vorbehalt. Oder wie es ein Sprecher des Ministeriums am Mittwoch gegenüber »nd« formulierte: »Die Regelungen werden auf ihre Wirkungen hin evaluiert.«
Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina werden demnächst zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt, ganz ohne zeitliche Befristung oder Evaluation der politischen Situation. Noch einmal der Ministeriumssprecher: »Menschen aus diesen Ländern können aber auch weiterhin Asylanträge stellen.« Offenbar geht es der Regierung vor allem um die abschreckende Wirkung dieser Maßnahme.
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