Zwei halbe Stellen gegen den Dschihad

In Bochum soll ein Modellprojekt Jugendliche vom »Heiligen Krieg« fernhalten

  • Marcus Meier, Bochum
  • Lesedauer: 3 Min.
NRW-Innenminister Ralf Jäger stellte gestern ein Modellprojekt vor, das jugendliche Anhänger des Salafismus am Abdriften in den Dschihadismus hindern soll - mit zwei halben Mitarbeitern.

Er wirkte gereizt, als das Thema auf die Kölner »Hooligans gegen Salafisten«-Randale vom Sonntag kam: Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) würgte gestern früh auf einer Pressekonferenz in Bochum allzu kritische Fragen zunächst ab. Der angeschlagene Politiker wollte sich seine Erfolgsbilanz im sozialpädagogischen Kampf gegen den Salafismus nicht verhageln lassen.

Jäger stellte in der Ruhrstadt das Modellprojekt »Wegweiser« vor, das wie ähnliche Projekte in Düsseldorf und Bonn eine islamistische Radikalisierung Jugendlicher bremsen soll. Meist auf Hinweis von Lehrern betreut das Projekt junge Leute, die die etwa mit dem Zeigen salafistische Gewaltvideos auf dem Schulhof auffielen.

Ihnen werden »Alternativen zum gewaltbereiten Salafismus« geboten: Beratungen, religiöse Debatten, Ausbildungsmaßnahmen, Therapien und im Extremfall sogar Schönheits-OPs. Dabei kooperiert das Projekt mit Moscheegemeinden, Ärzten, Therapeuten und anderen Einrichtungen der Jugendhilfe.

Doch die »Wegweiser«-Bilanz nach sechs Monaten ist eher mittelprächtig - wohl auch deshalb, weil das Land bisher nur zwei halbe Mitarbeiterstellen finanziert. Sechs potenzielle Dschihadisten würden in Bochum intensiv betreut, mit vier weiteren Jugendlichen hätten erste Gespräche stattgefunden. Bei ihnen sei jedoch »die Gefahr einer weiteren Radikalisierung nicht gegeben«, glaubt Friederike Müller, Geschäftsführerin des Projektträgers IFAK e. V. Das Modellprojekt sei insgesamt ein Erfolg. Denn einige der Betreuten, die zwischen 15 und 18 Jahre alt, mit multiplen Problemen behaftet, mit einer Ausnahme männlichen Geschlechts und zum Teil Konvertiten ohne Migrationshintergrund sind, hätten zuvor durchaus die Absicht geäußert, in den Heiligen Krieg zu ziehen.

Doch stehen andererseits den bisher zehn betreuten potenziellen Anwärtern für den Gotteskrieg Hunderte gegenüber, die tatsächlich aus Nordrhein-Westfalen der Terrortruppe »Islamischer Staat« in Syrien und Irak zur Hilfe eilen.

Wie viele es genau sind, wisse er nicht, räumt auch Innenminister Ralf Jäger ein. Die aus der umkämpften Region nach Nordrhein-Westfalen Zurückkehrenden unterteilte der Sozialdemokrat in drei Gruppen: desillusionierte, Traumatisierte und zusätzlich Radikalisierte, die nunmehr gut an Waffen und Sprengstoff ausgebildet seien.

Der Kampf gegen Salafismus sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und »Wegweiser« dabei ein »wichtiger Baustein«. Das Bochumer Projekt sei bundesweit einmalig und vorbildlich. Weitere Beratungsstellen würden zeitnah in islamistischen »Hotspots« wie Dinslaken oder Köln etabliert. »Wir haben genau den richtigen Weg eingeschlagen und werden diesen konsequent fortsetzen«, versprach der Duisburger.

Schließlich nahm Jäger doch noch Stellung zu den Kölner Krawallen und forderte einen bundesweit koordinierten Kampf gegen Rechtsextremismus. Insbesondere drängte er darauf, den »Missbrauch des Versammlungsrechts« durch Hooligans mittels Demonstrationsverboten zu beenden.

Auch der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA) forderte gestern ein hartes Durchgreifen. Die Rädelsführer der Ausschreitungen müssten aus dem Verkehr gezogen und einer »raschen Aburteilung« zugeführt werden, so Jörg Ziercke. Den Randalierern müsse man mit »null Toleranz« begegnen.

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