Richter stärken Stromkunden
Urteil des Europäischen Gerichtshofs
Strom- und Gasanbieter müssen ihre Kunden vor Preiserhöhungen genau über den Grund und Umfang informieren. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem Urteil am 23. Oktober 2014 festgelegt. Danach verstießen die deutschen Preisvorschriften von 2005 bis 2008 gegen europäisches Recht (Az. C-359/11 und Az. C-400/11)
Die Luxemburger Richter kippten Klauseln in Verträgen für deutsche Tarifkunden, nach denen Unternehmen die Preise einseitig anheben können.
Diese Regeln entsprächen nicht dem europäischen Recht. Die Richter mahnten, dass jeder EU-Staat einen hohen Verbraucherschutz gewährleisten müsse. Im vorliegenden Fall erlaubten sie Kunden ausdrücklich auch Rückzahlungsansprüche für die Vergangenheit.
Verbraucherschützer werfen Energieversorgern häufig lückenhafte Begründungen bei Preiserhöhungen vor. Konkret geht es um zwei Klagen von Verbrauchern gegen ihre Energielieferanten: die Technischen Werke Schussental GmbH (Ravensburg/Baden-Württemberg) und die Stadtwerke Ahaus GmbH (Nordrhein-Westfalen).
Die Haushaltskunden hatten von 2005 bis 2008 einen Grundversorgungsvertrag für Strom und Gas. Als Tarifkunden sind sie Verbraucher, die den automatisch wirksamen Standardvertrag ihres örtlichen Anbieters nutzen, anstatt nach günstigeren Bedingungen zu suchen. Der BGH hatte den EuGH um Hilfe bei der Auslegung von EU-Recht gebeten.
Nach Ansicht des EU-Gerichts widersprechen die deutschen Regeln dem EU-Recht. Zwar waren auch bisher schon Versorger verpflichtet, den Tarifkunden Preiserhöhungen vorab mitzuteilen - sie mussten sie aber nicht über »Anlass, Voraussetzungen und Umfang« informieren.
Dies sei nicht rechtens, meinten die EU-Richter nun. Dem Kunden müsse neben dem Recht, seinen Vertrag zu kündigen, »auch die Befugnis erteilt werden, gegen eine solche Änderung vorzugehen«. Damit der Kunde gut informiert eine Entscheidung treffen könne, müsse er rechtzeitig vor dem Inkrafttreten der Änderung über Anlass, Voraussetzungen und Umfang der Preiserhöhung informiert werden.
Der EuGH lehnte eine zeitliche Begrenzung seines Urteils ausdrücklich ab. Es sei nicht belegt, dass das Kippen der bisherigen Regeln rückwirkend die gesamte Branche der Strom- und Gasversorgung in Deutschland erschüttern würde, argumentierten die Richter.
Abschließend muss nun wieder der BGH über den Streit entscheiden. Als Konsequenz des Luxemburger Urteils müssen aber wohl zumindest Tarifkunden, die sich gegen damalige Preiserhöhungen gewehrt haben, diese nicht bezahlen.
Für Rückzahlungsansprüche sollten Verbraucher von einer dreijährigen Verjährungsfrist ausgehen, teilte die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen mit. Wer Ansprüche aus Rechnungen von 2011 wahren wolle, solle jetzt reagieren und »klagen oder einen Mahnbescheid beantragen«. Dies sei aber nur Kunden mit einer Rechtsschutzversicherung zu empfehlen, warnten die Verbraucherschützer.
Bereits im letzten Jahr hatte der EU-Gerichtshof Gaskunden den Rücken gestärkt. Im März 2013 urteilten die Richter, dass Versorger auch Kunden mit Sonderkundenverträgen über Preiserhöhungen umfassend ins Bild setzen müssen. Sonst sei die Preisanhebung möglicherweise missbräuchlich und damit unwirksam. dpa/AFP/nd
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