Senator bestellt externe Prüfer
Auch in der »Patenkind-Affäre« um Flüchtlingsheime taucht die Burschenschaft Gothia auf
War es Vetternwirtschaft? Wieder musste sich Sozialsenator Mario Czaja (CDU) fragen lassen, ob das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) rechtmäßig Aufträge an die Betreiber von Flüchtlingsheimen vergeben hat. »Unser Interesse ist es, rückhaltlos und ohne Ansehen der Personen zu einer Aufklärung der Sachverhalte zu kommen«, erklärte Czaja am Montag im zuständigen Ausschuss im Abgeordnetenhaus. Die sogenannte »Patenkind-Affäre« dreht sich um den LAGeSo-Präsidenten Franz Allert. Dessen erst 27-jähriger Patensohn Tobias Dohmen ist der Geschäftsführer der Gierso, einem der wichtigsten privaten Betreiber von Flüchtlingsunterkünften. Czaja will jetzt eine externe Wirtschaftsprüfagentur beauftragen - der Landesrechnungshof kann nicht wie geplant die Verträge zwischen LAGeSO und privaten Betreibern prüfen, weil die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Der Opposition geht die Aufklärung nicht schnell genug. Insbesondere, dass die Abgeordneten ihr Akteneinsichtsrecht nicht wahrnehmen können, wurde von Grünen, Linkspartei und Piraten scharf kritisiert. »So, wie es jetzt läuft, läuft es nicht gut«, sagte die Grüne-Abgeordnete Canan Bayram. »Auf die zentralen Fragen will Czaja keine Antworten geben«, beklagt Fabio Reinhardt, flüchtlingspolitischer Sprecher der Piratenfraktion.
Das Land Berlin muss im Jahr 2014 wahrscheinlich 11 500 Flüchtlinge unterbringen. Zu Zeiten des Kosovokrieges 1998/1999 waren es allerdings sogar 40 000 Menschen, die in Berlin Zuflucht fanden – während des Bosnienkrieges zu Beginn der Neunziger Jahre sogar noch viel mehr.
Um den Schutzsuchenden eine Unterkunft zu geben, hat der Senat seit 2011 die Zahl der Heime von zwölf auf 48 erhöht. Bald sollen die Asylsuchenden in sechs landeseigenen Containerdörfern mit jeweils 400 Plätzen untergebracht werden. Kostenpunkt: 43,5 Millionen Euro.
Zuständig für die Unterbringung und Verteilung der Flüchtlinge ist das Landesamt für Gesundheit und Soziales mit seinen rund 1000 Mitarbeitern, deren Präsident Allert im Zentrum der »Patenkindaffäre« steht. mkr
Neben Gierso-Chef Tobias Dohmen steht auch der Betreiber Pewobe in Verdacht. Das Unternehmen hält 25 Prozent an Gierso. Geschäftsführer der Pewobe ist Hellmuth Penz. Auch an Pewobe wurden über Jahre immer wieder Aufträge vergeben - obwohl Standards nicht eingehalten wurden. Der »B.Z.« liegt ein Brief vor, nachdem das LAGeSo der Pewobe 30 000 Euro zahlte, »wegen unserer guten geschäftlichen Beziehung«. Beim Bau des Pewobe-Heims in der Haarlemer Straße wurden 1,4 Millionen Euro mehr fällig als veranschlagt. Über die Hälfte dafür, weil er sich in den Winter zog - und deshalb der Rohbau vor »den großen Niederschlagsmengen des Winters 2013/2014« geschützt werden musste, wie die Senatsverwaltung für Soziales auf eine Kleine Anfrage der Piraten antwortet. Feucht blieben die Wände auch nach der Eröffnung: Mangelnde Dichtung von Räumen, Bäder ohne Entlüfter und leckende Rohre waren nur einige der Mängel, die die Projektkoordinationsfirma Asseon Bauplanung feststellte. Laut Senat sind mittlerweile die meisten behoben. Fragt sich, wozu: Ende 2015 muss das nun 8,2 Millionen teure Haus wohl abgerissen werden, außer das Land Berlin kauft das Grundstück vom Eigentümer zurück. Die Finanzabteilung lehnt das bisher ab, auch wenn Czaja es begrüßen würde, wie er am Montag sagte.
Pewobe-Chef Penz will von den Vorwürfen nichts wissen. Mit der Gierso verbinde ihn nur eine Minderheitsbeteiligung. Und Baumängel kämen eben vor, ebenso wie fehlende Ausschreibungen: besonders, wenn »möglichst schnell den von humanitären Katastrophen gebeutelten Menschen eine sichere Unterkunft« geboten werden muss.
Diesen Satz hat Thorsten Elsholtz geschrieben. Seit kurzem ist er Sprecher der Pewobe. Sein neuer Chef Penz hat dem Wirtschaftsmagazin »berlinboxx«, dessen Chefredakteur Elsholtz ist, das einzige Interview gegeben - mit fast identischem Wortlaut der Pewobe-Pressemitteilung.
Elsholtz ist schon einmal auf der Politbühne aufgetreten: Als Czajas Staatssekretär Michael Büge 2013 zurücktreten musste, weil er seine Mitgliedschaft in der extrem rechten Burschenschaft Gothia nicht aufgeben wollte. Elsholtz war damals ihr Vorsitzender, heute ist er »Alter Herr«, wie er sagt. Die Gothia hat sich nie von rechtem Gedankengut distanziert, schaltet Anzeigen in der Zeitung »Junge Freiheit« und ist immer noch Mitglied im umstrittenen Dachverband Deutsche Burschenschaft. Der »Alte Herr« Büge baut heute selbst Unterkünfte: für Obdachlose, als Geschäftsführer der Bürgerhilfe.
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