Die eine Hand und die andere
Neue Ermittlung zum 1980er Oktoberfest-Attentat? Bei den Geheimdiensten liegt noch was!
Bei dem Anschlag auf der Wiesn am 26. September 1980 wurden 13 Menschen – darunter drei kleine Kinder – getötet. Es gab 211 zum Teil schwer Verletzte. Bereits im November 1982 hat der Generalbundesanwalt sein Ermittlungsverfahren zu dem bislang größten Terroranschlag eingestellt. Man war angeblich 850 Spuren gefolgt, hatte 1700 Zeugen vernommen, es gab 16 vorläufige Festnahmen und 52 Durchsuchungen. »Ermittelt« wurde: Der Anschlag war die Tat eines einzelnen Rechtsextremen. Dieser Gundolf Köhler starb, als seine Bombe hochging.
Ermittlungen zu rechtsextremistischen Organisation haben angeblich »keine Hinweise auf Verbindungen zum Tatgeschehen ergeben«, heißt es in der aktuellen Antwort auf eine Anfrage der Grünen-Bundestagsabgeordneten Konstantin von Notz und Christian Ströbele.
Wohl nicht ganz zufällig fühlt man sich bei der Sicht auf die Behandlung des Falles an »Aufklärungsbemühungen« in Sachen Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) erinnert. In beiden Fällen mag man den Äußerungen des Generalbundesanwaltes (GBA) nicht wirklich trauen. Vermutlich liegt das auch daran, dass man den GBA landläufig als obersten deutschen Ermittler betrachtet. Dabei ist Harald Range – wie sein Vorgänger zu Zeiten des Münchner Attentats, Kurt Rebmann – ein politischer Beamter. Als solcher teilt er natürlich die sicherheitspolitischen Vorstellungen und Absichten der jeweiligen Bundesregierungen und ist dem Minister für Justiz hörig.
Der heißt seit vergangenem Jahr Heiko Maas. Der SPD-Mann hatte – so ist es der Antwort auf die Grünen-Anfrage zu entnehmen – im Januar 2014 in einem Brief an eine bayerische Landtagsabgeordnete behauptet, dass der Generalbundesanwalt »seit geraumer Zeit intensiv prüfe, ob die förmliche Wiederaufnahme der Ermittlungen geboten ist«.
Schon mehrfach redete sich die Regierung auf eine solche Prüfung heraus. Scheinbar fand man nie »zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine strafbare Beteiligung noch lebender Personen«, die – laut Gesetz – zur notwendigen Wiederaufnahme der Ermittlungen geführt hätten. Und es gibt ja so viele Schwierigkeiten. Beispielsweise wurden die Sachakten des Oktoberfest-Ermittlungsverfahrens bereits 1988 an das Bundesarchiv abgegeben »und liegen dem Generalbundesanwalt daher nicht vor«.
Klar, Dienstreisen sind beschwerlich. 1997 wurden die beim Generalbundesanwalt verwahrten Asservate »nach Rücksprache mit dem Leiter der Abteilung Terrorismus« vernichtet. Dass es inzwischen und in Zukunft noch bessere Analyseverfahren geben könnte, war den Experten offenbar unbekannt. Die Zigaretten- und Zigarillokippen aus Köhlers Auto hatte man ja bereits im Februar 1981 vernichtet. Wann, wo und wie die am Tatort gefundenen Handsegmente eines Unbekannten (?) entsorgt wurden, ist nicht mehr so richtig rekonstruierbar. Neben dieser Hand gab es auch immer wieder Fragen zu jener, die schützend über die Nicht-Ermittlungen gehalten wurde.
Im Zusammenhang mit dem Oktoberfest-Attentat wurden immer wieder Fragen zur vom Bundesnachrichtendienst (BND) und der Bundeswehr in Deutschland dirigierten NATO-Geheimarmee namens GLADIO laut. Brauchbare offizielle Antworten gab und gibt es nicht. Auch nicht, wenn man konkret nach dem Forstmeister Heinz Lemke fragt. Der Rechtsextremist hatte für GLADIO Erddepots mit Waffen, Sprengstoff und Gift zu verwalten. Als man ihn im Zusammenhang mit der Wiesn 1981 festnahm, verweigerte er die Aussage. Man fand ihn tot in der Zelle.
Von Notz und Ströbele fragten jetzt, ob Lemke V-Mann war. Die Bundesregierung reagierte mit einer knapp 30 Zeilen langen Standard-Nicht-Antwort, die immer dann verwendet wird, wenn man ein klares Ja scheut.
Falls die Bundesanwälte aber wirklich ermitteln will, könnte er beim Bundesamt für Verfassungsschutz beginnen. Dort liegen – laut Antwort der Regierung – »weiterhin geheimhaltungsbedürftige« Dokumente zum Oktoberfest-Attentat. »Weitere Unterlagen, die der Verschlusssachenanweisung unterliegen, befinden sich sowohl in der Registratur des Bundeskanzleramtes als auch noch im Archiv des BND.«
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