Tugce A. ist tot

Tausende bei Mahnwache vor der Klinik: »Sie ist dazwischen gegangen. Sie hat ein Zeichen gesetzt« / Lebenserhaltende Geräte am Geburtstag der 23-Jährigen abgestellt

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Die bei einer Prügelattacke schwer verletzte Tugce A. ist tot. Die lebenserhaltenden Geräte der Studentin seien am Freitagabend im Klinikum Offenbach abgestellt worden, bestätigte ein Sprecher der Polizei in Offenbach am Samstagmorgen der Deutschen Presse-Agentur. Vor der Klinik hatten tausende Trauernde im stillen Gedenken an die Studentin verharrt. »Die Maschinen wurden abgeschaltet«, hatte Tugces Vater am späten Freitagabend »hr-online« gesagt. Die Eltern der Studentin hatten sich zuvor zu diesem Schritt entschlossen. Am Freitag war ihr 23. Geburtstag.

Im Schein Hunderter Kerzen, umrahmt von weißen Luftballons, nahmen die Menschen in Offenbach Abschied. Auf dem Rasen vor der Klinik, in der die Studentin ihre letzten Tage verbrachte, verharren die Trauernden am Freitagabend mehr als eine Stunde im stillen Gedenken an die Studentin. Ein Klavierspieler stimmt die Lieblingsstücke der jungen Frau an. Ein Stück ist darunter, das sie selbst auf der Abschiedsfeier ihrer Schulklasse spielte – dass es erklingt, soll der Wunsch des Bruders gewesen sein.

Die junge Frau musste mit ihrem Leben bezahlen, weil sie anderen helfen wollte. Immer wieder gehen die Blicke hinauf zu dem Fenster, an dem Tugces Mutter und Bruder stehen. Die Trauer vereint Menschen jeden Alters. »Sie ziehen ein Kind groß und auf einmal verlieren sie es. Den Schmerz möchte ich nicht erleben«, sagt eine Rentnerin, die mit Freundinnen zur Mahnwache gekommen ist.

Sarah und Nicole, beide 22 und Studentinnen wie Tugce, wollen ihr danken: »Sie ist dazwischen gegangen. Sie hat ein Zeichen gesetzt.« Mit Wimperntusche schreiben sie eine Grußbotschaft auf eine an einem Luftballon hängende Karte, bevor sie sich mit ihren Kerzen und Blumen unter die Menge mischen.

Unter den Trauernden gibt es auch nachdenkliche Stimmen. Arash (27) stellt Fragen: »Warum hat sie sich eingesetzt? Und wo sind die Personen, für die sie sich eingesetzt hat, heute?« Er spielt darauf an, dass sich die beiden Mädchen, denen Tugce wohl zu Hilfe kam, bislang nicht gemeldet haben. Über die Gründe rätseln an diesem Abend viele.

Nach Erkenntnissen der Polizei hatte sie versucht, einen Streit in einem Schnellrestaurant im hessischen Offenbach zu schlichten. Ein 18-Jähriger soll Tugce niedergestreckt haben. Der mutmaßliche Täter räumte den Schlag nach Angaben der Staatsanwaltschaft in einem ersten Verhör ein. Seitdem schweigt er und sitzt in Untersuchungshaft.

Die Tat hatte sich vor einem Schnellrestaurant im hessischen Offenbach ereignet. McDonalds sprach sein Beileid aus, wies aber Vorwürfe gegen seine Mitarbeiter zurück. Während der Trauerfeier blieb die Filiale zu. »Dieses Restaurant bleibt aus Respekt vor dem schrecklichen Verlust für ihre Familie und Freunde für den Rest des heutigen Tages geschlossen«, stand auf einem Schild vor der Eingangstür. dpa/nd

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