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Deutsche Musikhilfe

Bernd Zeller über die Ebola-Hilfe-CD und die Vorstellung, dass auch Politiker Wohltätigkeitslieder zum Besten geben

  • Lesedauer: 3 Min.

Unser heutiger Bericht würdigt die Bemühungen deutscher Popmusik-Interpreten um die Bekämpfung einer Seuche bei gleichzeitiger jahreszeitlich passender Bezugnahme auf das Fest der religiösen Toleranz. Unsere Gesangsstars haben ein Mittel gegen Ebola gefunden, nämlich eine CD, und gingen dafür ein hohes persönliches Risiko ein, nämlich, von zynischen Journalisten und Internetschreibern dafür heruntergemacht zu werden.

Alle haben an dem neu aufgenommenen Band-Aid-Klassiker etwas auszusetzen; das ist wieder mal typisch deutsch. Während der Initiator von Band Aid, Bob Geldof, dafür von der Queen zum Ritter geschlagen wurde, müssen sich Campino und die anderen deutschen Stars damit begnügen, mitgemacht haben zu dürfen und mediale Präsenz zu erhalten, das deutsche Äquivalent zum Ritterschlag, auch in Form hämischer Kritiken. Sie können froh sein, dass man erfährt, wer die derzeitigen deutschen Stars sind. Wie so häufig bei Kunstwerken ist nicht der erste Eindruck entscheidend, sondern irgendetwas Anderes. In diesem Fall ist das Erstaunliche die Überbrückung der zeitlichen Dimension. Das Lied, das nun in deutscher Fassung aufgenommen wurde, ist von Bob Geldof vor 30 Jahren erstveröffentlicht, erfüllt also als Klassiker die wichtige Funktion der Brücke zwischen den Generationen. In Deutschland steht man geschichtsbedingt Klassikern skeptisch gegenüber.

Den betroffenen Regionen in Afrika kann es aber wirklich egal sein, ob wir hier im geschützten Europa das Musikstück gelungen finden oder den Text missraten. Der Zweck überstrahlt die musikalischen Mittel. Denn bei früheren Hilfsliedern ging es um Bekämpfung des Hungers in Afrika, wobei mit Geld und Spendenaufrufen auf geeignete Art zumindest Linderung geschaffen werden kann. Jemandem kann Essen gekauft werden, und unser Gewissen wird beruhigt - eine klassische Win-Win-Situation, wie es der Erfolgsberater nennt. Es besteht nicht die Gefahr, dass der Hunger aus Afrika auf unsere Region übergreift. Bei einer Seuche wie Ebola liegen die Dinge anders: Wird sie nicht frühzeitig eingedämmt, sind wir bald selbst dran. Und dann sagen wir: Hätten wir doch die CD gekauft, wir müssen sie ja nicht anhören.

Darin stimmt uns Sänger Campino bereits vorab zu. Das ist der, der auf den Fotos den Mund am weitesten geöffnet hat. Er sagt, auf Qualität kommt es nicht an. Hierin zeigt er die Unangepasstheit und Kompromisslosigkeit, für die ihn seine Fans so verehren. Jeder muss sich anpassen und Kompromisse eingehen. Aber es gibt ja noch Campino, der sich nicht anbiedert. Das spendet Trost. In der Biografie seiner Band schildert er eingangs, wie die Kanzlerin darum bitten ließ, mit der Band zu telefonieren, um sich dafür zu entschuldigen, dass Volker Kauder am Wahlabend einen Song von ihnen geträllert hat. Die Band diskutierte, ob jemand wie sie selbst mit jemandem wie der telefonieren dürfte. Man entschied sich für ein triviales Ja und nahm Merkels Entschuldigung an. Das geht in Ordnung, und die Fans sind auch nicht so streng zu sagen: Gut, man darf mit der Kanzlerin telefonieren, aber sich in seiner Biografie dafür zu feiern, dass man es sich schwer gemacht hat, das reizt die Glaubwürdigkeit dann doch sehr aus.

Vermutlich hat sich Merkel dafür entschuldigt, dass Volker Kauder besser gesungen hat als Campino. Die Gefahr, dass Volker Kauder sich am Singen des Ebola-Hilfssongs versucht, besteht nicht. Für Campino dürfte dies Ehrung genug sein.

Volker Kauder sollte es dennoch tun. Politiker könnten viel glaubwürdiger und beliebter werden, wenn sie öfter gemeinsam Hilfslieder zum Spendensammeln singen würden. Doch vermutlich erachten sie die dadurch zu generierenden Spenden als zu gering, als dass sie sich dafür mit ihren Mitbewerbern zusammentun würden, wie es die Musikprofis fertigbringen.

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