Thüringen: »Rot-Rot-Grün ist Zäsur in Parlamentsgeschichte«

Ex-Ministerpräsidentin Schleswig Holsteins warnt SPD vor Zerreißprobe / Ramelow würdigt Arbeit von Lieberknecht: »Hochachtung« / Mehrheit findet Ministerpräsidenten von der Linkspartei in Ordnung

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Update 20.00 Uhr: Thüringens LINKEN-Chefin Susanne Hennig-Wellsow hat Rot-Rot-Grün als Zäsur in der deutschen Parlamentsgeschichte bezeichnet. »Wir können Vorbild für andere Bundesländer sein«, sagte Hennig-Wellsow am Mittwoch auf einem Parteitag in Arnstadt. Die Linke sieht die Voraussetzungen für den Regierungswechsel am Freitag geschaffen. Rot-Rot-Grün habe einen von den Mitgliedern der drei Parteien getragenen Koalitionsvertrag, mit Bodo Ramelow einen Kandidaten und eine knappe Landtagsmehrheit, sagte die Linke-Chefin. Die drei Parteien hätten auf Augenhöhe verhandelt und Vertrauen und Respekt zueinander entwickelt. In Arnstadt soll das Mitgliedervotum der Linken zum Koalitionsvertrag bestätigt werden.

Update 19.00 Uhr: Der Kandidat von Rot-Rot-Grün für das Amt des Thüringer Ministerpräsidenten, Bodo Ramelow (LINKE), hat sich besorgt über die politische Kultur in dem Bundesland gezeigt. Es sei ein Klima der Angst entstanden, sagte er am Mittwoch bei einer Veranstaltung in Weimar. Vertreter von Linkspartei, Sozialdemokraten und Grünen seien in den vergangenen Wochen vehement beschimpft und bedroht worden. Bei mehreren LINKE-Politikern seien sogar die Radmuttern der Autos gelöst worden. »Dieses Klima hat eine ganz praktische Seite, über die wir reden müssen.«

CDU-Landtagsfraktionschef Mike Mohring sagte, Übergriffe seien nicht hinzunehmen, gleichgültig, wer davon betroffen sei. Auch die Gegner von Rot-Rot-Grün würden zum Beispiel im Internet derzeit massiv diffamiert.

Update 13.10 Uhr: Ein Scheitern des LINKEN-Politikers Bodo Ramelow bei der Wahl zum thüringischen Ministerpräsidenten hätte nach Ansicht von Heide Simonis fatale Folgen für die SPD. Falls die Wahl am Freitag schiefgehen würde, »wäre das Malheur noch schlimmer als damals bei mir«, sagte die frühere schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin der Wochenzeitung »Die Zeit«.

»Eine Niederlage würde die SPD in Thüringen derart durcheinanderrappeln - man hätte größte Mühe, zu verhindern, dass es sie zerreißen würde - nicht nur weil es um ein neues Koalitionsmodell geht«, sagte Simonis. Diesmal seien alle gewarnt und wüssten um die Konsequenzen.

Am Freitag will sich Ramelow zum Regierungschef in Thüringen wählen lassen. Das rot-rot-grüne Bündnis hat nur eine Stimme Mehrheit. Die Wiederwahl von Simonis als Ministerpräsidentin war 2005 im Kieler Landtag gescheitert, weil ihr eine Stimme aus dem Lager von SPD, Grünen und der dänischen Minderheitenpartei SSW versagt wurde.

Sie sei seitdem nie mehr in die Fraktion gegangen. »Dort sitzt immer noch der eine Irre, der mich so brutal hereingelegt hat«, sagte Simonis, die glaubt, den Abweichler zu kennen. Bis heute ist dessen Name nicht bekannt.

Update 12.20 Uhr: Für Bodo Ramelow (LINKE) ist Rot-Rot-Grün derzeit noch kein Modell für den Bund. »Der Weg im Bund ist noch weit, und die Farbenlehre wird bis dahin noch einige Mischungen erleben«, sagte Ramelow der »Rhein-Zeitung«. »Es ist viel zu früh, aus Thüringen irgendeine Schlussfolgerung zu ziehen.« In den Ländern sehe er auf absehbare Zeit »keine Doublette zu Thüringen«. Ramelow stellt sich am Freitag zur Wahl.

Update 11.30 Uhr: CDU-Generalsekretär Peter Tauber hat die Thüringer CDU davor gewarnt, einen möglichen eigenen Kandidaten bei der Ministerpräsidentenwahl am Freitag mit AfD-Stimmen wählen zu lassen. »Ein Ministerpräsident der CDU darf nie von der AfD abhängig sein. Ein CDU-Kandidat, der dieses Amt nur mit den Stimmen der AfD erreichen kann, sollte diese Wahl nicht annehmen«, sagte Tauber »Spiegel Online«.

Update 7.20 Uhr: Laut einer Umfrage von Forsa für das Magazin »Stern« findet eine Mehrheit von 54 Prozent der Bundesbürger einen Ministerpräsidenten der Linkspartei 25 Jahre nach der Wende grundsätzlich in Ordnung - unabhängig davon, welcher Partei die Befragten selbst zuneigen. 38 Prozent meinten laut einer Vorabmeldung des Magazins, es sei nicht in Ordnung, wenn ein Linkenpolitiker eine Landesregierung führe. Mit einem linken Regierungschef eines Bundeslandes könnten neben den Sympathisanten der Linken (96 Prozent) vor allem die Anhänger der Grünen (68 Prozent) und der SPD (62 Prozent) sowie die Ostdeutschen (59 Prozent) gut leben. Nicht in Ordnung finden das mehrheitlich die Anhänger der CDU/CSU (51 Prozent) und der AfD (55 Prozent). Das Institut Forsa hatte Ende November gut 2.500 repräsentativ ausgesuchte Bürger befragt. Die statistische Fehlertoleranz liegt bei plus/minus drei Prozent.

Update 7.15 Uhr: Der Berliner CDU-Politiker und Bundestagsabgeordnete Philipp Lengsfeld lobte die Entscheidung des CDU-Präsidiums in Thüringen als »gut«. Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter erklärte er, »alles hängt nun an den Ihrem Gewissen verpflichteten Abgeordneten von SPD und Grünen«. Lengsfeld ist Kritiker des rot-rot-grünen Bündnisses und hofft auf eine Gegenstimme aus dem Ramelow-Lager bei der Ministerpräsidentenwahl am Freitag.

Update 6.30 Uhr: Laut Korrespondentenberichten verlief die Sitzung des CDU-Präsidiums am Dienstagabend sehr kontrovers. Unklar bleibe aber, worauf die Empfehlung zum Verzicht auf einen Kandidaten im ersten Wahlgang bei der Ministerpräsidentenwahl hinausläuft: taktisches Spiel oder fehlendes Personal? Die CDU hätte bis Mittwoch 10 Uhr einen eigenen Bewerber für den ersten Wahlgang melden müssen. Einen Bewerber für den zweiten Wahlgang kann die Fraktion ohne vorherige Ankündigung noch am Freitag unmittelbar während der Wahl ins Rennen schicken.

Update 6.15 Uhr: Thüringens Linke stimmt sich am Mittwoch auf den Regierungswechsel ein: Kurz vor der Ministerpräsidentenwahl steht die Parteispitze ihren Mitgliedern am Mittwoch auf einem Parteitag in Arnstadt Rede und Antwort zum Koalitionsvertrag von Rot-Rot-Grün. Das Regierungsprogramm für die nächsten fünf Jahre muss von dem Parteitag noch beschlossen werden. Im Gegensatz zur Mitgliederbefragung der Grünen war die Urabstimmung bei den Linken nicht bindend. Bei der Abstimmung gab es 94 Prozent Zustimmung zu dem Vertrag. »Das überzeugt mich davon, dass wir mit einem großen Rückenwind in diese Regierung einsteigen können«, wertete Linke-Landeschefin Susanne Hennig-Wellsow das Ergebnis der Abstimmung.

Ramelow würdigt Arbeit von Lieberknecht: »Hochachtung«

Berlin. Die Thüringer CDU wird im ersten Wahlgang bei der Ministerpräsidentenwahl am Freitag keinen Gegenkandidaten zum Linkenpolitiker Bodo Ramelow aufstellen. Eine entsprechende Empfehlung solle der Fraktion gegeben werden, sagte CDU-Generalsekretär Mario Voigt am Dienstagabend nach einer Präsidiumssitzung in Erfurt. Rot-Rot-Grün solle bei der Wahl beweisen, dass man als Bündnis im Landtag über die nötigen Stimmen verfüge. »Ramelow soll zeigen, dass er eine Mehrheit zusammenbekommt.« Linke, SPD und Grüne haben im Landtag zusammen 46 Stimmen, CDU und AfD zusammen 45.

Ob die CDU in einem möglicherweise zweiten oder dritten Wahlgang mit einem eigenen Kandidaten antritt, wie vor einer Woche angekündigt, ließ Voigt offen. Sollte es zu mehreren Durchgängen bei der Ministerpräsidentenwahl kommen, werde die Fraktion entscheiden, wie sie sich verhalte, sagte der Unionspolitiker.

Zuvor hatte die CDU-Vorsitzende und Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht ihren Verzicht auf eine Gegenkandidatur zu Ramelow erklärt. Als Grund nannte sie ihr Versprechen im Wahlkampf, nicht mit der Rechtspartei AfD zu kooperieren. Daran fühle sie sich gebunden. »Ich möchte nicht den Anschein erwecken, bei der Ministerpräsidentwahl auf Stimmen der AfD zu setzen«, so Lieberknecht.

In der CDU tobt ein Machtkampf, in dem sich auch CDU-.Fraktionschef Mike Mohring Chancen auf die nachfolge Lieberknechts an der Spitze der Landespartei ausrechnet. Mohring hat bisher keine endgültige Abgrenzung zur AfD verlauten lassen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) soll der Thüringer CDU geraten haben, keinen Gegenkandidaten zu Ramelow aufzustellen. Ein Herausforderer könnte die Reihen von Rot-Rot-Grün schließen.

Derweil hat Bodo Ramelow die Arbeit der scheidenden CDU-Regierungschefin gewürdigt. »Ich empfinde Hochachtung dafür, was sie für Thüringen geleistet hat«, sagte Ramelow der »Thüringer Allgemeinen«. Lieberknecht, die seit 24 Jahren politische Ämter bekleidet, habe beispielsweise als Landtagspräsidentin viel für einen fairen Umgang im Parlament getan. Auch als Ministerpräsidentin habe sie sich um eine neue politische Kultur bemüht. Das sei ihr bei der Aufarbeitung der NSU-Verbrechen oder im Umgang mit dem jüdischen Erbe auch gelungen. Ramelow bezeichnete Lieberknecht als »eine im positiven Sinne konservative und liberale Persönlichkeit«. Sie habe aber auch mit ihren Fehlern und Affären dafür gesorgt, dass er jetzt gute Aussichten bei der Wahl zum Ministerpräsidenten besitze. nd/Agenturen

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