Der gute Rassismus
Andreas Koristka erklärt, in welchen Familien Mandarin, Kisuaheli und HTML5 gesprochen werden darf
Die Empörung war riesig. »Die CSU ist in Absurdistan angekommen«, sagte SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi und Volker Beck von den Grünen verurteilte die bayerische Partei als »übergriffig« und »respektlos«. Das alles nur wegen eines einzigen Satzes, den die Christsozialen in einen Leitantrag geschrieben hatten: »Wer dauerhaft hier leben will, soll dazu angehalten werden, im öffentlichen Raum und in der Familie deutsch zu sprechen.«
Man darf sich schon wundern über die scharfen Reaktionen, die diese einfache Forderung nach sich rief. Denn wer die Passage aufmerksam liest, stellt fest, dass es der CSU nicht um ein Gesetz geht, das Migranten ihre Muttersprache in den eigenen vier Wänden grundsätzlich verbietet. Nein, lediglich sollen sie »dazu angehalten« werden, in der Familie deutsch zu sprechen, und zwar nur diejenigen unter ihnen, die auch »dauerhaft hier leben« wollen.
Andreas Koristka
ist Redakteur des Satiremagazins »Eulenspiegel«.
Eigentlich ist das alles nicht weiter dramatisch. Einige Menschen werden sich eben darauf einstellen müssen, dass sie von Zeit zu Zeit von zivilcouragierten Bürgern ein bisschen gemahnt werden. Das könnte dann durchaus bestimmt, aber freundlich geschehen. Beispielsweise so: »Guten Tag, Herr Gökhan, wenn ich Sie kurz stören dürfte … Mir ist es ein wenig unangenehm, aber die Wände hier sind sehr dünn, und da hab ich neulich mitbekommen, dass Sie doch den einen oder anderen ausländischen Satz haben fallen lassen. Ich mache es wirklich nicht gerne, aber es ist so, dass ich die CSU-Leitanträge weder selbst schreibe, noch bin ich mit diesen zu 100 Prozent d’accord. Nun sind sie aber einmal in der Welt. Deshalb bin ich leider verpflichtet, Sie dazu anzuhalten, in Ihrer Familie deutsch zu sprechen. Bei Zuwiderhandlung sehe ich mich gezwungen, Sie zu stiefeln.«
Was wäre daran schlimm? Zumal man anmerken muss, dass die CSU-Anhaltung ja sowieso nur einen kleinen Bevölkerungsteil betrifft. »In der Familie«, schließt nach bayerischer Lesart die Wohnungen homosexueller Paare per se aus, weil sie keine Familie sind. Auch dürfen die kümmernden Innenstadteltern ihre Kinder selbstverständlich weiterhin mit Mandarin, Kisuaheli oder HTML5 aufwachsen lassen. Und wenn wir mal ganz ehrlich mit uns und der CSU sind, dann dürfen auch »Ausländer« selbstverständlich weiter ihre Heimatsprache sprechen, nur eben nicht Türken und so.
Es ist also absolut unangebracht, wenn man solche Vorschläge, wie sie von der CSU kommen, sofort verteufelt. Wir Deutschen haben zwar unserer Geschichte wegen eine besondere Verantwortung, aber etwas mehr Gelassenheit stünde uns gut zu Gesicht. So sollten wir nach all den Jahren der Selbstgeißelung zu einer unverkrampften Xenophobie zurückkehren können - einem Rassismus 2.0 mit menschlichem Antlitz.
In Dresden ist man diesbezüglich schon einen Schritt weiter. Dort geht man zu Tausenden auf die Straße gegen die Islamisierung des Abendlandes. Gewaltfrei! Wer hätte das Anfang der neunziger Jahre für möglich gehalten? Und wer hätte Anfang der achtziger Jahre gedacht, dass Dresden zum Abendland gehört? Die Menschen auf den Demonstrationen grölen keine widerlichen Parolen, nein, sie sind still. Sie schwenken nicht mehr die Reichskriegsflagge, sondern Schwarz-Rot-Gold und sie sind sogar gegen Nazis. Sie sagen nicht mal mehr direkt, dass sie etwas gegen die »Kanacken« haben - nur die Islamisierung stört sie, die bekanntlich in Dresden ein besonders hohes Ausmaß erreicht hat. So berichten viele männliche Demonstrationsteilnehmer, dass die Dresdnerinnen schon sehr sehr lange nicht mehr mit ihnen geschlafen haben. Aus religiösen Gründen!
Es bleibt zu hoffen, dass die Bewegung Erfolg hat. Wenn Deutschland es schafft, sich gegen die ganze Überfremdung zu wehren, selbstverständlich nur mit Hilfe des demokratischen Rechtsstaates, dann könnten die Deutschen schon in 300 Jahren ausgestorben sein. Es wäre zu schön um wahr zu sein.
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