Gegenwind für den Verschrotter
Gewerkschaften kritisieren die unsoziale Politik von Regierungschef Renzi
»So geht es nicht!« steht auf den Plakaten, mit denen die italienischen Gewerkschaftsverbände CGIL und UIL zum Generalstreik an diesem Freitag aufrufen. Sie prangern die Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik der Regierung von Matteo Renzi an. Sein Kabinett und der Ministerpräsident selbst haben eher sarkastisch auf die Streikankündigung reagiert: »Ihr streikt und wir arbeiten«, war der Tenor.
Es ist schwer, die Wirtschaftspolitik von Matteo Renzi in klare Worte zu fassen. Bisher hat der selbst ernannte »rottamatore« (Verschrotter) viel angekündigt, aber wenig umgesetzt. Und das Wenige, das tatsächlich getan wurde - so die Gewerkschaften -, gehe in die falsche Richtung. Der Kurs, den die Regierung einschlagen würde, war eigentlich schon klar, als Renzi sein Kabinett vorstellte: Ministerin für Wirtschaftsentwicklung wurde Federica Guidi, Tochter eines führenden Industriellen Italiens und selbst stellvertretende Vorsitzende des Industriebundes Confindustria. Minister, die aus der Gewerkschaftsbewegung kommen, gab und gibt es dagegen keine. Von vornherein war der Draht zwischen Matteo Renzi und den Unternehmern sehr gut. Was immer der neue Ministerpräsident ankündigte, er erntete Applaus von Unternehmerseite.
Das gilt vor allem für seine Reform des Arbeitsmarktes »Jobs Act«. Hiermit wird der Kündigungsschutz de facto aufgehoben, was auch einer der Hauptgründe für den Generalstreik ist. Die Regierung ist der Ansicht, dass die Unternehmen in einem flexibleren Arbeitsmarkt mehr Menschen fest einstellen würden. Man geht ebenfalls davon aus, dass mit dem neuen Gesetz auch ausländische Investoren dazu bewogen werden könnten, Geld in Italien anzulegen, was ebenfalls zu mehr Arbeitsplätzen führen würde.
Die Gewerkschaften sind da ganz anderer Meinung: Die Kappung von verbrieften Arbeitnehmerrechten werde sich negativ auf das soziale Klima auswirken und keinen einzigen neuen Arbeitsplatz schaffen. Auch in Bezug auf Investitionen aus dem Ausland sind sie skeptisch: Wenn niemand in Italien investieren will, so sagen sie, dann liegt das an der unübersichtlichen Bürokratie, an der weit verbreiteten Korruption - laut der aktuellen Untersuchung von Transparency International zählt Italien neben Griechenland und Rumänien zu den korruptesten Staaten in der EU - und an der Macht der organisierten Kriminalität. Aber sicher nicht an den Rechten der Beschäftigen.
Renzi hat auch seine Steuerpolitik immer an den eher Besserverdienenden ausgerichtet. So gab es Steuervergünstigungen in Höhe von 80 Euro monatlich - aber nur für die Angestellten mit festem Arbeitsvertrag. Vollkommen leer gehen dabei die Jüngeren aus, die meist in prekären Verhältnissen arbeiten, aber auch die Rentner, die in Italien zum größten Teil noch nicht einmal 1000 Euro monatlich erhalten.
Eine andere von der Regierung vernachlässigte Gruppe ist die der Staatsbediensteten: Ihr Arbeitsvertrag wird seit sieben Jahren nicht erneuert, was zu einem starken Reallohnverlust geführt hat. Es gibt auch keine Verbesserungen für die vielen Scheinselbstständigen, die in Zukunft mehr Steuern zahlen müssen. Auch hier sind vor allem die jungen Menschen betroffen, die im Durchschnitt etwa 1000 Euro pro Monat verdienen. Die Gewerkschaften haben berechnet, dass davon in der Zukunft über die Hälfte in Form von Steuern und Abgaben an den Staat abgeführt werden muss, was letztlich zu einem Anstieg der Schwarzarbeit und der Steuerhinterziehung führen werde.
Die Regierung von Matteo Renzi ist schließlich mit dem Versprechen angetreten, die Bildung in den Mittelpunkt ihrer Arbeit zu stellen. Tatsächlich wurden im Haushalt 2015 die Ausgaben in diesem Bereich - das gilt auch für das Gesundheitswesen und die Sicherheitskräfte - jedoch gekürzt. In den letzten Jahren ist die Zahl der Studenten in Italien stark gesunken und gerade jene gut Ausgebildete müssen immer häufiger ins Ausland gehen. Inzwischen verlassen mehr Personen Italien, als aus anderen Ländern einwandern. All das - so die Gewerkschaften - »geht so nicht!«
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