Ein echter Generalstreik in Italien?
Auch außerparlamentarische Gruppen rufen zum Protest
Einen Generalstreik gab es schon lange nicht mehr in Italien. Und so darf dieser nicht als singuläres Ereignis verstanden werden. Er ist Ergebnis eines monatelangen Prozesses und der gescheiterten Versuche der sozialdemokratischen und linken Kräfte in Italien, einen Gegenpol zum Austeritätskurs in Europa zu bilden.
Die Ära Silvio Berlusconi ist vorläufig beendet, auch wenn der langjährige Regierungschef weiter auf höchster politischer Ebene mitwirken darf. Einen echten Umbruch hat es aber nicht gegeben. Dass jenen Ministerpräsident Matteo Renzi einläutet, hofften viele. Seine Reformen zielen jedoch allein darauf, es der Wirtschaft recht zu machen und den Sozialstaat abzubauen.
Immerhin in dieser Feststellung sind sich Gewerkschaften, die außerparlamentarische Linke und sogar ein Teil von Renzis Demokratischer Partei (PD) einig. Renzi musste die Abstimmung über einen ersten Teil seines »Jobs Act« mit der Vertrauensfrage verbinden, um im Parlament die nötige Mehrheit zu bekommen. Proteste gegen das Vorhaben - insbesondere zur faktischen Abschaffung des Kündigungsschutzes - gab es in den vergangenen Wochen immer wieder. Ende Oktober und Mitte November gingen Tausende Italiener in mehreren Städten auf die Straße.
Sie sollen nur der Vorgeschmack gewesen sein. Doch vor allem im autonomen Spektrum ist die Bereitschaft, mit den Gewerkschaftsverbänden gemeinsame Sache zu machen, weiter nicht sehr groß. Auf den einschlägigen Webseiten und in sozialen Netzwerken kursieren Artikel und Kommentare dazu, dass Susanna Camusso wegen ihrer PD-Zugehörigkeit nicht glaubwürdig oder nicht radikal genug sei.
In dem Streik und den Protesten der vergangenen Monate wird jedoch auch die Chance gesehen, wieder eine große Oppositionsbewegung zu begründen. So beteiligen sich viele der Komitees, die in den vergangenen Krisenjahren entstanden sind, um etwa Wohnungsnot praktisch zu begegnen. Die »Bewegung für das Recht auf Wohnen« in Rom rief bereits für Donnerstag zu Aktionen auf. Das Infrastrukturministerium sollte besetzt werden. Gruppen, die gegen Zwangsräumungen vorgehen, haben in mehreren italienischen Städten Zulauf.
Mit der (indirekten) Beteiligung am Streik soll so nicht nur gegen die Arbeitsmarktreform protestiert, sondern auch auf weitere soziale Probleme aufmerksam gemacht werden, darunter hohe Steuern, teure Großprojekte wie die EXPO 2015 in Mailand oder Kürzungen bei der Gesundheitsversorgung.
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