Die Erblast

Kurt Stenger über Konsequenzen aus dem Verfassungsgerichtsurteil

Vermögen werden in Deutschland so niedrig besteuert wie in kaum einem anderen führenden Indus-trieland. Das ist ein Ergebnis der in der Ära Kohl und der Ära Schröder vollzogenen Kehrtwende in der Steuerpolitik. Plötzlich lautete das Primat nicht mehr: Wer viel hat, soll viel zahlen. Sondern es ging um Standortförderung – Unternehmen und kapitalstarke Investoren sollten durch niedrige Abgabenlast bei Laune gehalten werden. Einkommen- und Unternehmensteuer für Topverdiener und Konzerne wurden massiv gesenkt, die Vermögensteuer wird seit 1997 überhaupt nicht mehr erhoben. Und bei der Vererbung der Vermögen wurden die vielen Ausnahmen bei Firmeneigentum noch ausgeweitet, so dass die Erben in der Regel vom Fiskus einen 85-Prozent-Rabatt bekommen oder gar nichts zahlen müssen.

Dass dies gegen den Gleichheitsgrundsatz der Verfassung verstößt, war schon bei der Abfassung des Gesetzes klar. Karlsruhe hat das in seinem aktuellen Urteil mit deutlichen Worten klar gemacht. Es wäre zu wünschen, dass die Politik die Botschaft vernimmt und nicht nur ein bisschen am Gesetz herumrepariert. Künftig sollten nur noch die wenigen kleinen Unternehmen, die durch Erbschaftsteuerzahlungen in Liquiditätsnot geraten, durch Stundungsregeln verschont werden. Im Ergebnis würden die Einnahmen des Staates deutlich steigen, was angesichts knapper Kassen wünschenswert ist. Noch wichtiger wäre es, die Vermögensteuer wieder zu erheben. Es ist an der Zeit, sich von der Erblast der neoliberalen Steuerwende zu lösen.

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