Umfrage: ver.di-Vorwürfe vertreiben Amazon-Kunden

Gewerkschaft will den Druck erhöhen: »Wir sind unberechenbar geworden« / Beschäftigte in Hessen, Sachsen, Bayern und Nordrhein-Westfalen legen Arbeit nieder / Macht auch Leipzig weiter?

  • Lesedauer: 3 Min.

Update 11.00 Uhr: Umsatzverlust durch Rufschaden? Jeder fünfte Deutsche will, wegen der Vorwürfe der Gewerkschaft Verdi, der Versand-Riese nutze seine Mitarbeiter aus, nicht mehr bei Amazon einkaufen. Das zeige eine aktuelle Umfrage der Hamburger Kommunikationsberatung Faktenkontor. Den direkten Schaden durch den Arbeitsausfall schätzt Amazon offiziell als gering ein. Trotzdem zeigten die ver.di- Aktionen laut Faktenkontor empfindlich Wirkung:

Aufgrund der Vorwürfe, Amazon nutze seine Mitarbeiter aus, verliere Amazon scharenweise Kunden. 16,9 Prozent der Deutschen, die 2014 bei dem Versandhändler Produkte bestellt hatten, wollten laut Umfrage wegen der Vorwürfe zukünftig nicht mehr bei Amazon einkaufen. Insgesamt seien die Beschuldigungen für 20,9 Prozent aller Deutschen ein Grund, zukünftig auf Einkäufe bei Amazon zu verzichten.

»Das verdeutlicht, wie stark sich der Ruf eines Unternehmens auf seinen Geschäftserfolg auswirkt«, sagt Dr. Roland Heintze, Experte für Reputationsmanagement beim Faktenkontor. »Solche Effekte sollte Amazon bei seinem Umgang mit der Gewerkschaft bedenken. Geringere Lohnstückkosten bedeuten nicht automatisch mehr Gewinn, wenn dadurch das Image Schaden nimmt und Kunden fernbleiben.«

Tag fünf im Streik bei Amazon

Berlin. Bereits den fünften Tag in Folge wird beim Versandhändler Amazon gestreikt. Die Gewerkschaft Ver.di rief Beschäftigte in den Logistikzentren in Hessen, Sachsen, Bayern und Nordrhein-Westfalen dazu auf, mit Beginn der Frühschicht am Freitagmorgen die Arbeit niederzulegen. »Wir müssen den Druck auf Amazon erhöhen«, erklärte der Verdi-Gewerkschaftssekretär Karsten Rupprecht am frühen Morgen im nordrhein-westfälischen Rheinberg.

Die Streiks in Rheinberg, Werne (beide NRW), Leipzig (Sachsen) und Bad Hersfeld (Hessen) sollen bis einschließlich Samstag fortgesetzt werden, im bayrischen Graben soll sogar bis Heiligabend gestreikt werden. Ursprünglich sollte der Ausstand nur drei Tage dauern. Aber Ver.di setzt auf Durchhalten: »Wir sind unberechenbar geworden«, sagte Rupprecht. Er schloss nicht aus, dass es auch nach dem Streikende am Samstag weitere Proteste geben könnte. »Da sollte man mit rechnen.«

Auch in Leipzig wird eine Fortsetzung zumindest nicht ausgeschlossen. Im Laufe des Tages solle entschieden werden, ob der Ausstand auch noch über den Samstag hinaus weitergeführt werde, sagte Ver.di- Sprecher Thomas Schneider. »Die Mitarbeiter sind erbost, dass Amazon den Streik kleinredet. Schon deshalb werden wir nicht nachlassen.«

Die Gewerkschaft will bei Amazon einen Tarifvertrag zu den Konditionen des Einzelhandels durchsetzen. Amazon lehnt das strikt ab. Der US-Konzern sieht sich selbst als Logistiker. Die Bezahlung der Mitarbeiter in den neun deutschen Versandlagern liege am oberen Ende dessen, was in der Logistik-Branche üblich sei. Eine Einigung ist nicht in Sicht - Verdi ruft schon seit 2013 immer wieder zu Ausständen auf.

Der neue Streik läuft seit Montag. Am Donnerstag beteiligten sich nach Ver.di-Angaben deutschlandweit mehr als 2.400 Beschäftigte. Das Unternehmen sprach dagegen von »weniger als 2.000« Streikenden. Amazon sieht keine Auswirkungen auf Lieferungen im Weihnachtsgeschäft. dpa/nd

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.