Das »Liebe« nehme ich zurück
Silvia Ottow antwortet auf einen Brief ihrer gesetzlichen Krankenkasse
Liebe gesetzliche Krankenkasse! Ich bin ganz schön wütend. Sie haben bestimmt bis jetzt gewartet, ehe sie Ihre sorgfältig formulierten Versichertenschreiben in die Post gegeben haben - wohl in der Hoffnung, dass die Adressaten vor Weihnachten anderes zu tun haben, als zwischen den Zeilen zu lesen. Als DDR-Bürgerin kann ich aber einfach nicht anders. »Wir wünschen Ihnen und Ihren Lieben alles Gute und viel Gesundheit für das Jahr 2015«, heißt im Klartext: Werden Sie ruhig krank, aber beschweren Sie sich nicht, wenn die Beiträge steigen. »Gut zu wissen, dass es für Sie gleich mit einer erfreulichen Nachricht beginnt«, heißt: Es wird komplett ungemütlich. »Der bisherige Sonderbeitrag für Mitglieder von 0,9 Prozent entfällt«, heißt: Dafür gibt es jetzt einen individuellen Zusatzbeitrag. »Für Sie ändert sich nichts«, heißt: Facharzttermine bleiben Mangelware, Leistungen werden ausgedünnt, Prävention ist Privatsache und ein gutes Krankenhaus der Glücksfall.
Ich habe genau zugehört, was der Bundesgesundheitsminister alles verbessern will. Da sich Arbeitgeber von der paritätischen Finanzierung verabschiedeten, wird er das von meinen Zusatzbeiträgen bezahlen. Und die werden steigen! Warum tun Sie, als wüssten Sie das nicht? Warum nehmen Sie mein Geld und veräppeln mich noch? Warum sagen Sie nicht die Wahrheit? Ich bin gespannt auf Ihre Antwort. Und das »Liebe« in der Anrede nehme ich zurück.
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