Linke: Privatisierung der Luftsicherheit rückgängig machen
Innenministerium will Einsatz privater Sicherheitsdienstleister überprüfen / Polizeigewerkschaften GdP und DPolG fordern Flughafenkontrollen in öffentlicher Hand / Grüne verlangen Durchsetzung höherer Sicherheitsstandards
Update 17 Uhr: Das Bundesinnenministerium will Konsequenzen prüfen, äußerte sich aber noch nicht zu möglichen Folgen für das grundlegende System. Dafür sei es zu früh, sagte ein Ministeriumssprecher am Montag in Berlin. Es handle sich aber um einen »ernstzunehmendem Vorfall«, der Anlass sei, grundsätzlich über das System der Kontrollen am Frankfurter Flughafen nachzudenken. Zunächst werde Sicherheitspersonal nachgeschult und zusätzlich kontrolliert.
Für die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sagte der Vorsitzende des GdP-Bezirks Bundespolizei, Jörg Radek, wies im Tagesverlauf nochmals darauf hin, dass nur der Staat in der Flugsicherheit Qualität und Kontinuität garantieren könne. »Die Ergebnisse der EU-Untersuchung zeigen: Die Fluggastkontrolle darf kein Anlernberuf mit in der Folge schlechter Bezahlung und hoher Fluktuation bleiben.« Die Privatisierung in diesem Bereich im Jahr 1993 habe zu deutlich schlechteren sozialen Rahmenbedingungen und einer massiven Arbeitsverdichtung geführt.
Auch der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, sprach sich dafür aus, die Kontrollen wieder an die Bundespolizei zu übertragen. Alternativ könne ein Eigenbetrieb in Staatsbesitz gegründet werden, sagte er der Online-Ausgabe des »Handelsblatt«.
Der Beamtenbund kritisierte ebenfalls, dass Sicherheitsaufgaben am Frankfurter Flughafen in großem Stil an private Dienstleister übertragen werden. »Wir haben hier eine echte Polizeiaufgabe vor uns«, sagte der Vorsitzende des DBB Beamtenbund und Tarifunion, Klaus Dauderstädt, der Deutschen Presse-Agentur. Sie dürfe zwar übertragen werden. »Doch angesichts der Prüfungsergebnisse mache ich ein großes Fragezeichen, ob es wirklich richtig ist, primäre Sicherheitsaufgaben des Staates in private Hände zu geben.«
Ein Sprecher der Bundespolizei am Frankfurter Flughafen sagte am Montag, dass intensiver kontrolliert werde. Nach Angaben des Flughafen-Betreibers Fraport kann es vor dem Sicherheitscheck derzeit zu Wartezeiten kommen. Das liege aber auch an den hohen Passagierzahlen vor Weihnachten.
Update 15.10 Uhr: Die Linkspartei hat angesichts von Sicherheitsrisiken auf deutschen Flughäfen gefordert, die Privatisierung der Luftsicherheit rückgängig zu machen. Der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Jan Korte, sagte, »wenn die Berichte zutreffen sollten, dann ist das Ergebnis der Kontrollen am Frankfurter Flughafen verheerend und die Beschwichtigungspolitik der Bundesregierung nicht akzeptabel«. Korte nannte die Folgen der seit 1993 erfolgten Privatisierung »gravierend«, diese dürften »nicht länger verharmlost und ignoriert werden«. Auch der Linkenpolitiker forderte, die Luftsicherheit wieder voll als hoheitliche Aufgabe zu verstehen. »Dafür muss die Bundesregierung die Bundespolizei allerdings wieder in die Lage versetzen, diese Aufgabe auch wahrzunehmen. Anstatt auf unausgereifte und unsichere Technik wie bei den Körperscannern, sollte endlich wieder auf gut ausgebildetes, fair entlohntes und motiviertes Personal gesetzt werden«, sagte Korte.
Polizeigewerkschaft GdP fordert Flughafenkontrollen in öffentlicher Hand
Hamburg. Nach den Berichten vom Wochenende über gravierende Sicherheitsmängel an Deutschlands größtem Flughafen in Frankfurt am Main wird Kritik am Einsatz privater Sicherheitsfirmen sowie an der offenbar vernachlässigten Qualifikation des Kontrollpersonals laut. So fordert die Gewerkschaft der Polizei (GdP), die Sicherheitskontrollen nicht mehr privaten Firmen zu überlassen. »Die Firmen bringen Beschäftigte, die lediglich angelernt, aber nicht ausgebildet sind«, sagte GdP-Vize Jörg Radek am Montag auf NDR Info. Um eine bessere Sicherheit zu garantieren, gehöre der Bereich der Luftsicherheit zurück in die öffentliche Hand.
»Wir können uns in diesem Zusammenhang vorstellen, einen Ausbildungsberuf Luftsicherheitsassistent zu schaffen«, sagte Radek. Zurzeit könne die Bundespolizei nur in Stichproben die Zuverlässigkeit der Kontrolleure überprüfen.
Im Deutschlandradio forderte die innenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen, Irene Mihalic, die staatlichen Qualitätsanforderungen an im Sicherheitsbereich eingesetzte Dienstleister zu erhöhen. Laut Mihalic müssten solche Unternehmen künftig zertifiziert werden, bevor der Staat sie in sensiblen Bereichen einsetze. Zudem warnte sie vor den Folgen des Kostendrucks, der dazu führe, dass an Stelle der Bundespolizei private Firmen engagiert würden. »Private Betreiber sind häufig günstiger als teure Bundespolizeibeamte, da steht zu vermuten, dass auch aufgrund regelmäßiger Ausschreibungen solcher Dienstleistungen es zu einem Preiskampf kommt, der dann eben auch zu Lasten der Qualität geht«, so die Grünen-Politikerin.
Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Stephan Mayer (CSU), verteidigte dagegen grundsätzlich den Einsatz von privatem Sicherheitspersonal an Flughäfen. Aufgrund der Personalsituation bei der Bundespolizei müsse es durchaus möglich sein, »auch bestimmte Aufgaben an private Sicherheitsdienste zu delegieren, aber natürlich nach bestimmten konkreten Vorgaben«, sagte Mayer im WDR. Die Sicherheitsdienste müssten regelmäßig überprüft, kontrolliert und evaluiert werden.
Mayer rechnet zudem künftig mit einem verstärkten Einsatz von Körperscannern. Er sei überzeugt, dass die Zukunft bei den Körperscannern liege, sagte der CSU-Politiker. Er glaube auch, »dass da die ersten Kindheitserkrankungen mittlerweile beseitigt sind«.
Die EU-Verkehrskommission hatte laut Berichten vom Wochenende bei verdeckten Kontrollen Sicherheitsrisiken am Frankfurter Flughafen entdeckt. Es soll gelungen sein, Waffen oder gefährliche Gegenstände durch die Passagierkontrollen zu schmuggeln. Grund für die Mängel soll schlecht geschultes Personal sein. Agenturen/nd
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