Lübecker Unternehmer nennt eigene fremdenfeindliche Aussagen »nicht mehr zeitgemäß«
Winfried Stöcker hatte in einem Interview Flüchtlinge unter anderem als »reisefreudige Afrikaner« bezeichnet / Afrikanische Gemeinde hatte Anzeige wegen Volksverhetzung erstattet
Update 12.15 Uhr: Der Lübecker Medizin-Unternehmer Winfried Stöcker (67) hat sich für seine fremdenfeindlichen Aussagen entschuldigt. Sie seien viel zu drastisch geraten und hätten viele Menschen vor den Kopf gestoßen, heißt es in einem Schreiben, das die »Lübecker Nachrichten« am Dienstag veröffentlichten. »Das Vokabular war nicht mehr zeitgemäß.« Er selbst habe eine chinesische Frau und arbeite eng mit Kollegen aus vielen Nationen zusammen.
Ihm mache die demografische Entwicklung Sorgen, heißt es in Stöckers Schreiben. Er befürchte, dass es durch zahlreiche Ausländer große Konflikte gebe. Die Lebensbedingungen in den Herkunftsländern der Flüchtlinge müssten verbessert und die Menschen aus der Türkei stärker integriert werden.
Die Türkische Gemeinde Schleswig-Holstein hatte seine Aussagen am Montag als rassistisch und menschenverachtend verurteilt. Der sächsische Linken-Kreisrat Sven Scheidemantel hatte Strafanzeige erstattet. Stöcker betreibt das Medizin-Unternehmen Euroimmun mit internationalen Zweigstellen und ist Honorarprofessor an der Lübecker Universität. Uni-Präsident Hendrik Lehnert hat sich von seinen Aussagen distanziert. Toleranz, Weltoffenheit und »ein klares Bekenntnis zu multikulturellem Handeln « seien unveräußerlich Werte der Universität. Der AStA hatte zuvor den Entzug der Honorarprofessur gefordert.
Afrikanische Gemeinde erstattet Anzeige wegen Volksverhetzung
Wegen möglicher fremdenfeindlicher Äußerungen ermittelt die Polizei gegen den Besitzer des Görlitzer Jugendstilkaufhauses, Winfried Stöcker. Anlass ist eine Strafanzeige des Zentralrats der afrikanischen Gemeinde in Deutschland. Das Innenministerium in Dresden bestätigte am Montag den Eingang der Anzeige, die über die Online-Polizeiwache in Sachsen gestellt wurde. Stöcker hatte kürzlich in einem Interview Flüchtlinge unter anderem als »reisefreudige Afrikaner« bezeichnet. Der Zentralrat der afrikanischen Gemeinde bezeichnete die Äußerungen als sehr verletzend.
Der Görlitzer Oberbürgermeister Siegfried Deinege (parteilos) hielt Stöcker vor, sich in herablassender und diskriminierender Weise über Flüchtlinge und Asylbewerber geäußert zu haben. Der Medizinprofessor habe humanitäre und christliche Werte infrage gestellt. Der Lübecker Unternehmer hatte in dem Zeitungsinterview Weihnachten als »Firlefanz« und Afrikaner als »Neger« bezeichnet.
Der Arzt für Laboratoriums- und Transfusionsmedizin hatte 2013 das leerstehende Kaufhaus in Görlitz erworben. Für das vergangene Wochenende war darin ein Benefizkonzert für Flüchtlinge geplant. Stöcker untersagte die Veranstaltung mit dem Argument, er wolle Asylmissbrauch nicht unterstützen, wie er der »Sächsischen Zeitung« sagte.
Der Unternehmer entschuldigte sich unterdessen für seine Äußerungen. »Sie sind zu drastisch geraten, haben viele Leute vor den Kopf gestoßen«, erklärte Stöcker am Montag. Er sei kein Ausländerfeind. Allerdings mache er sich angesichts des Flüchtlingszustroms Sorgen um die demografische Entwicklung in Deutschland. Darauf habe er in dem Interview hinweisen wollen.
Der Oberbürgermeister hat nach eigenen Angaben mit dem Landkreis Görlitz vereinbart, bis Ende 2015 bis zu 250 Asylbewerber in der Stadt aufzunehmen. »Dabei handelt es sich um Familien, die sich bereits im Asylverfahren befinden, derzeit in Heimen wohnen und künftig in eigenen Wohnungen in Görlitz untergebracht werden.« dpa/nd
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