Schiffe sollen sauberer werden
In der Nord- und Ostsee gelten seit Jahresbeginn strengere Regeln für den Schadstoffausstoß
Weltweit wird der grenzüberschreitende Handel zu 90 Prozent per Frachter und Tanker transportiert. Das Wachstum findet vor allem in Asien, Südamerika und Afrika statt. Doch auch in Nord- und Ostsee ist der Schiffsverkehr auf den engen blauen Fernstraßen, die häufig in Sichtweite der Küstenbewohner verlaufen, beeindruckend hoch: Allein im August 2014 liefen laut Statistischem Bundesamt 12 848 größere Schiffe in deutsche Seehäfen ein; und die meist befahrene künstliche Seeschiffpassage der Welt, den Nord-Ostsee-Kanal, passierten im vergangenen Jahr 30 948 Frachter und Kreuzfahrer. Die Industrie in Ostdeutschland wiederum verschifft Autoteile, Chemikalien und Maschinen über die Ostseehäfen in alle Welt.
Eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte mit einer Kehrseite für Mensch und Umwelt: Die in Schiffsmotoren verbrannten Schweröle erzeugen einen Schwefelausstoß, der bis zu 1000-fach höher ist als der von Dieselkraftstoffen für Autos. Millionen Tonnen Ruß pusten die Lastesel der Globalisierung Jahr für Jahr in die Luft. Als feine Partikel gelangen die giftigen Gase in Atemwege, als »saurer Regen« in Böden und Gewässer.
Die gute Nachricht: Die Umweltregeln wurden zum Jahreswechsel im gesamten Ostseegebiet sowie dem Großteil der Nordsee bis hinunter in den Ärmelkanal drastisch verschärft. Gemäß den Vorgaben der UN-Weltseeschifffahrtsorganisation IMO in London gelten in den Emissionskontrollzonen, die ECA genannt werden, ab 2015 neue Grenzwerte für den Schwefelausstoß. Der erste und bis heute noch international übliche Grenzwert betrug 4,5 Prozent. In den Regionen der Ost- und Nordsee galt bis 2010 dann ein Schwefelanteil von maximal 1,5 Prozent als zulässig. Danach war nur noch ein Prozent erlaubt. Seit 1. Januar reduzierte sich die Vorgabe für die Abgase nochmals deutlich auf 0,1 Prozent.
Die IMO und das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH), aber auch kritische Experten halten die saubereren Normen für einen »Quantensprung«. So spricht Elke Körner, Ostseeexpertin des Umweltverbandes BUND in Mecklenburg-Vorpommern, von »einem riesigen Schritt«. Allerdings sei man damit »noch nicht am Ende«. So dauere es jahrzehntelang, bis das Wasser in der Ostsee ausgetauscht sei. Die Schwefel-Altlasten, erläutert Körner, werden »den Tümpel« daher noch lange belasten, bis er rein ist.
Um den neuen Vorgaben in den ECA-Gebieten zu genügen, setzen die meisten Reeder auf zwei Alternativen: Treibstoffe mit geringerem Schwefelgehalt und sogenannte Scrubber. Der Einbau solcher Abgasreinigungsanlagen rechnet sich, da die Schiffe weiterhin mit billigem Schweröl fahren können. Allerdings verschlingt die Investition zwischen drei und fünf Millionen US-Dollar, und an Bord wird Raum benötigt, um die Scrubber unterzubringen. Beliebter ist laut der Norddeutschen Landesbank (NordLB), einem führenden Schiffsfinanzierer, der Umstieg auf schwefelarme Kraftstoffe, wenn man in ein ECA-Gebiet einfährt. Dieser Marinediesel ist deutlich teurer als das Schweröl, das als Sondermüll bei der Benzinraffinierung anfällt.
Ein Kostenanstieg im Gütertransport wird daher unvermeidlich sein. Zumindest kurzfristig, bis sich der Markt einpendelt, etwa weil Schiffe langsamer gefahren werden (»Slow Steaming«), um Sprit zu sparen. In jedem Fall bleiben aber erhebliche Kostenvorteile gegenüber der Straße. Davon ist man jedenfalls bei der weltgrößten Reederei Maersk überzeugt. »Wegen ECA wird sich an unseren Fahrplänen nichts ändern«, sagte Jens-Ole Krenzien, Deutschland-Geschäftsführer der dänischen Maersk-Gruppe. Die Mehrkosten von 300 US-Dollar pro Tonne Fracht würden an die Kunden weitergegeben.
Beim hierzulande für die Kontrolle zuständigen BSH in Hamburg zeigt man sich optimistisch. Seit 2013 werden »Satellitenfernerkundungsmethoden zur Abgasuntersuchung« erprobt, die um Messungen aus Flugzeugen oder Häfen ergänzt würden. »Allein das Wissen, dass man kontrolliert wird, ist für Reeder abschreckend«, sagt Jörg Kaufmann, oberster Schifffahrtsfachmann des BSH. Auf diese Weise sei in der Vergangenheit schon die Ölverschmutzung eingedämmt worden. Weniger eindrucksvoll erscheinen derzeit noch die bislang bekannt gewordenen Geldbußen. Diese bewegen sich »in einem nicht ernstzunehmenden Bereich«, kritisieren die Analysten der NordLB. Die Rede ist von 2000 bis 5000 Euro.
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