Linke fordert »grundlegenden Neustart« in Sozialpolitik
Vorsitzende Kipping: Hartz IV bleibt Armut weiterhin Armut per Gesetz / EKD-Vorsitzende Bedford-Strohm: Stärkere Förderung nötig
Berlin. Zehn Jahre nach dem Start der Hartz-IV-Reform zieht die Linkspartei eine vernichtende Bilanz und fordert einen »grundlegenden Neustart« in der Sozialpolitik. »Hartz IV bedeutet wirklich Armut per Gesetz«, sagte die Linke-Vorsitzende Katja Kipping am Freitag im ARD-»Morgenmagazin«. Hartz IV habe einen Niedriglohnsektor befördert. Lohndumping werde noch mit Steuergeldern unterstützt, weil die niedrigen Löhne aufgestockt werden. Auch sei nicht zusätzliche Arbeit entstanden. »Unsere Bilanz von zehn Jahren Hartz IV besagt ja auch, dass das Arbeitsvolumen in Gänze nicht zugenommen hat, sondern es ist nur neu aufgeteilt worden.«
»Es braucht einen grundlegenden Neustart«, sagte Kipping. Die Linke wolle Hartz IV durch eine sanktionsfreie Mindestsicherung ersetzen, weil unter 1050 Euro pro Monat Armut drohe.
Kritisch, aber zurückhaltender als Kipping äußerte sich der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm. Er sprach sich für eine stärkere Förderung von Hartz-IV-Empfängern aus. »Es kann uns nicht ruhig lassen, dass in Zeiten guter Konjunktur noch immer über eine Million Menschen in Deutschland langzeitarbeitslos sind«, sagte Bedford-Strohm.
Bei der Umsetzung der Sozialreform vor zehn Jahren sei lange Zeit das Fordern ins Zentrum gestellt worden, sagte der bayerische Landesbischof. Das Fördern sei darüber vernachlässigt worden. Die Hartz-IV-Gesetze hätten viele Menschen ohne Arbeit lediglich als Verschärfung von staatlicher Seite empfunden.
Die Kirchen hätten immer wieder darauf hingewiesen, dass auch das Fördern stärker in den Blick zu nehmen sei, unterstrich der EKD-Ratsvorsitzende. Nach Auffassung des Theologen geht es in einer Gesellschaft auch den Wohlhabenden besser, wenn sie in dem Bewusstsein leben könnten, dass auch die Schwächsten nicht von den Früchten des gesellschaftlichen Wohlstands ausgeschlossen sind.
Bedford-Strohm verteidigte allerdings den Grundgedanken der Hartz-IV-Gesetze, die am 1. Januar 2005 in Kraft getreten sind: »Der Ansatz, dass durch die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe Menschen intensiver dabei begleitet werden, wieder Zugang zum Arbeitsmarkt zu finden, war grundsätzlich richtig«, sagte er. Agenturen/nd
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