Ein Anschlag auf die Redefreiheit
Eine Verneigung vor Cabu, Charb, Tignous und Wolinski
Unter den zwölf Menschen, die am Mittwoch beim Anschlag auf die französische Satirezeitung »Charlie Hebdo« ermordet wurden, waren auch vier Zeichner, die seit Jahren für das Blatt arbeiteten. Ihr Credo war: Satire hat das Recht, sich gegen jegliche Ideologie und Autorität zu richten. Aus Respekt vor unseren Kollegen und aus Hochachtung vor ihrem Mut, für ihre Überzeugungen einzustehen, widmen wir diesn Beitrag.
Jean Cabut
Mit einer Zeichnung von Jean Cabut – Künstlername Cabu – reagierte »Charlie Hebdo« im Februar 2006 auf die gewaltsamen Proteste von Muslimen gegen die Mohammed-Karikaturen in westlichen Zeitungen. Auch auf Cabus Zeichnung ist der Prophet zu sehen. Unter dem Titel »Mohammed, vereinnahmt von Fundamentalisten«, sieht man, wie er die Hände vor dem wutroten Gesicht zusammenschlägt und schimpft: »Welch Fluch, von Idioten geliebt zu werden!« Man muss nicht einmal besonders genau hinsehen, um zu erkennen, dass der Künstler hier mitnichten den Islam verunglimpft, sondern dessen Propheten vor den falschen Anhängern in Schutz nimmt. Cabu war einer der populärsten französischen Cartoonisten. Er veröffentlichte viele Bücher, publizierte in namhaften Zeitungen und Zeitschriften und arbeitete für das Fernsehen. Cabus Figuren »Le Grand Duduche«, »L’Adjudant Kronenbourg« und »Mon Beauf« sind Kult. Seine antimilitaristische und anarchistische Haltung hatte er aus dem Algerien-Krieg mitgebracht, wo er 27 Monate lang dienen musste. Am 13. Januar wäre Cabut, der am Mittwoch erschossen wurde, 77 Jahre alt geworden. mha
Bernard Verlhac
Bernard Verlhac arbeitete seit 1980 als Karikaturist und Pressezeichner u.a. für »La Croix«, »L’Événement du Jeudi«, »Hara-Kiri«, »L’Humanité«, »Marianne«. Hauptsächlich war er jedoch für »Charlie Hebdo« tätig. Seine erste politische Zeichnung fertigte er bereits im Alter von 13 Jahren an. Später legte er sich das Pseudonym Tignous zu. Eine politische Karikatur müsse den Betrachter gleichermaßen zum Lachen und zum Nachdenken anregen, sagte er vor knapp fünf Jahren in einem Interview. Gelungen sei sie aber erst, wenn dem Betrachter der Ernst des der Zeichnung zugrunde liegenden Themas klar werde und ihm sozusagen das Lachen im Halse stecken bleibe. Als Zensurinstanz akzeptiere er letztlich nur sich selbst. Kein Herausgeber, keine politische Gruppierung könne ihn dazu bringen, eine Zeichnung in der Schublade verschwinden zu lassen. Wenn eine Karikatur einmal nicht gedruckt werde, etwa weil der Verleger Angst vor Reaktionen habe, dann werde er sie eben in einem Buch veröffentlichen, betonte Tignous. Bernard Verlhac kam am Neujahrstag 1957 in Paris zur Welt. Er wurde 58 Jahre alt. jam
Stéphane Charbonnier
Stéphane Charbonnier – Charb – war Zeichner und seit 2009 Chefredakteur der französischen Satirezeitschrift »Charlie Hebdo«. Nachdem das Blatt im Herbst 2012 Mohammed-Karikaturen veröffentlicht und es im Internet einen Mordaufruf gegen die Redaktion gegeben hatte, stand er lange unter Polizeischutz. In einem Interview, das Charb damals der »Badischen Zeitung« gab, sagte er: »Wir machen uns lustig über alle Religionen. Wir haben in 20 Jahren 1060 Ausgaben veröffentlicht, darunter waren nur drei Titelseiten über den Islam, die für Probleme sorgten.« Und weiter: »Unser Magazin ist der Laizität verschrieben, also der Trennung von Staat und Kirche. Das ermöglicht allen, sich frei zu äußern – ob sie glauben oder nicht. Wenn Vertreter von Religionen versuchen, Einfluss auf die Politik zu nehmen, halten wir dagegen.« Stéphane Charbonnier unterstützte die Kommunistische Partei und die Linksfront bei den Europawahlen 2009, auch bei den Regionalwahlen in Frankreich 2010. Charb, geboren am 21. August 1967 in Conflans-Sainte-Honorine, ist 47 Jahre alt geworden. cm
Georges Wolinski
Über seine Ehefrau Maryse und die humorfreie Variante des Feminismus machte der Zeichner und Schriftsteller Georges Wolinski sich einmal über die Länge eines ganzen Buches lustig. Viele seiner Zeichnungen waren beherrscht von den Themen Frauen, Männer, Sexualität. Zu seinen Aufgaben als Satiriker zählte er auch die Entmythisierung des Ehelebens und der Liebe. Eine seiner Karikaturen zeigt etwa einen Mann, der sich den Lauf eines Revolvers in den Mund schiebt und im Begriff ist, sich umzubringen. Im Bildhintergrund ist zu sehen, wie seine Ehefrau mit einer Blumenvase den Raum betritt und sagt: »Vorsicht! Pass auf den Teppich auf!« Außer für Satireblätter war der Cartoonist auch für die linke Tageszeitung »L’Humanité« tätig. »Glücklicherweise ist die Welt schlecht. Ich hätte es nicht ertragen, wenn es mir auf einer guten Welt schlecht ginge«, sagte er einmal. Dass dem undogmatischen Linken von Konservativen und Humorlosen wiederholt vorgeworfen wurde, seine Zeichnungen seien »schamlos« oder »vulgär«, muss als Auszeichnung verstanden werden. Geboren wurde er am 28. Juni 1934 in Tunis. Er wurde 80 Jahre alt. tbl
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.