Die Identität von Pegida

Wie eine von den Behörden gröblichst unterschätzte rechtsextreme Gruppierung ihr »Bürgerrechtssüppchen« kocht

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.
»Dresden zeigt, wie's geht«, riefen Pegida-Demonstranten am Montag. Seltsam gleichartig sprechen rechtsextreme sogenannte Identitäre von einer »weithin deutlichen Flamme, die brennt!«

Am Sonntag werden wieder Tausende Linke zu den Grabplatten von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht pilgern. Im Umfeld des Gedenktages anlässlich ihrer Ermordung wird medial rituell daran erinnert, dass es 1988 zu einer Störung der DDR-»Kampfdemonstration« durch Bürgerrechtler kam. Die hatten ein Transparent entfaltet und darauf Luxemburg zitiert: »Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden.«

Am Montagabend fand in Dresden der elfte Aufmarsch von Pegida statt. Eine Gruppe dieser »Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes« machte sich zum Landtag auf. Im Eingangsbereich schwenkte sie die sogenannten Lambda-Banner der »Identitären« und entfalteten Losungen. »Unser Land, unsere Werte« stand auf einem Transparent, auf dem zweiten standen Luxemburgs Worte der Freiheit. Offenbar hätte man zu gern die Bilder aus dem Jahre 1987 provoziert, als die Staatsmacht rüde gegen die Bannerträger vorging. Clever wie der Pediga-Diebstahl der Losung »Wir sind das Volk!« Doch Dresdens Polizei übt Toleranz. Warum einschreiten, wenn nicht einmal das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz die Rechtsaußentruppe ernst nimmt und das Bundesamt den »Identitären« fast ausschließlich Facebook-Status einräumt?!

Die Truppe fühlt sich offenbar daheim bei Pegida - kein Wunder, da wird ja pausenlos von deutscher Identität geredet. Ein Anführer der »Identitären«, die in Ketten und mit Mundpflastern eine Unterdrückten-Show abzogen, ist Tony Gerber. Bei Facebook schrieb er: »Heute hat sich eine junge gesamteuropäische Bewegung zusammengefunden, um in und vor dem Sächsischen Landtag in Dresden ein Zeichen gegen das Meinungsdiktat der politisch-medialen Eliten und gegen die gesellschaftlichen Denk- und Sprachverbote zu setzen!«

Was also wollen die Typen? »Unser Ziel ist nicht die Beteiligung am Diskurs, sondern sein Ende als Konsensform! Wir wollen nicht mitreden, sondern eine andere Sprache! Wir wollen keinen Stehplatz, sondern das Ende der Party!« Und wer ist dieser Gerber? Ein gelernter Koch, ein Kampfsportler, der sich als »Sicherheitsberater« bezeichnet, der bei den »Lichtlläufen« im Erzgebirge mittat und unter dem Titel »Heimat, Freiheit, Tradition« eine Art Rechtsaußen-Ratgeberserie auf seinem YouTube-Kanal anbietet.

Der 1987 Geborene fühlt sich »nach wie vor im Nationalen Sozialismus beheimat« und mache daraus »keinen Hehl«. Warum auch. Beim Pegida-Aufzug hat er »einige bekannte Gesichter aus meiner politisch aktiven Zeit gesehen«. Und er behauptet, »keinerlei Kontakte in das ›Braune Lager‹ oder gar zum ›NSU‹ zu unterhalten«. »Wer ein Weltbild aus Rassismus, Antisemitismus oder Totalitarismus vertritt, hat in unserer Bewegung keinen Platz«, sagen die »Identitären«. Doch Nazi Gerber ist einer ihrer Köpfe. Das Bundeskriminalamt (BKA) hat ihn 2012 im Rahmen der Ermittlungen gegen die Terrorgruppe des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) vernommen. Weil er mit dem in München als NSU-Unterstützer angeklagten André Eminger befreundet war. Oder ist. Auf dessen Computer fand sich ein von Gerber 2005 verfasster Text: Danach sei »die Arische Rasse nicht zum knechten geboren!!« Er selbst gehe seit drei Jahren »organisiert gegen Regime und Untermenschen vor! Wir als Lichtmenschen, haben die Bestimmung und das gegebene Schicksal, nicht nur Deutschland, sondern die ganze Welt zu richten!« (Fehler im Original) Weiter liest man mit Schaudern: »Vermöge der Jud den Wind den er säte, nun als Sturm ernten! Der Stahl harrt auch in meiner Hand!!! Heil euch Kameraden, zum Wohle und ein flüssiges Julfest!« Laut Vernehmungsprotokoll wiegelte der Autor ab, verwies auf Heavy-Metal-Liedtexte und sein jugendliches Alter. Dem BKA kann man alles erzählen.

Gerber und die »Identitären« sind bestens vernetzt. Virtuell sowieso, doch auch real. In Wien marschierten sie bei Kameraden mit, die einen Enthauptungsflash zum Besten gaben. Doch als im Oktober Tausende Hooligans und Rechtsextremisten durch Köln randalierten, will die »Identitäre Bewegung« nicht dabei gewesen sein. Komisch, dabei gab man Interessierten Hilfestellung bei der Anreise. Noch sei das Schiff Pegida »ohne Karte und Kompass auf hoher See«, liest man bei Gerber, und gemeint ist sicher, noch hätten die Neonazis das Ruder nicht in der Hand. Doch die Ruderer sind da, der Kahn ist in Bewegung, denn Pegida habe geschafft, »was nationale Gruppierungen seit Jahrzehnten versuchen...«. Das lasse sich vor allem aus der Zusammensetzung der Teilnehmer ablesen. Ein »guter Querschnitt des Volkes« habe sich da zusammengefunden - von »Arbeitern der Faust« bis zum »Arbeiter der Stirn« sei alles vertreten gewesen. Copyright bei Goebbels.

Doch die »Systemfrage« lasse sich nur in einer »Volksfront« stellen, sagt Gerber und scheint hoch zufrieden, dass »die Menschen aus den nationalen Gruppen« sich an den Konsens der Pegida halten und bereit sind, »sich in diese Volksfront einzufügen!«

Nach dem Attentat in Paris auf die Redaktion der Satirezeitung »Charlie Hebdo«, bei dem am Mittwoch zwölf Menschen getötet und mindestens fünf schwer verletzt wurden, fühlen Pegida-Gänger auf Twitter und in Facebook Aufwind. Motto: Davor haben wir gewarnt. Die Frage der Abgrenzung zu Neonazis halten sie für eine untergeordnete. Solche Kurzschlussargumente und eine Bewerbung Dresdens als Europäische Kulturhauptstadt, sollten notwendige politische Auseinandersetzungen über Bauchgrummeln, Wutziele und Bündnispartner nicht obsolet machen.

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