Prozess gegen Tim H.: Staatsanwalt legt Revision ein
Der 38-Jährige hatte erst am Dienstag milderes Urteil wegen Blockade von Naziaufmarsch 2011 erhalten / Erneut Kritik an »haarsträubenden Ermittlungsmethoden der Dresdener Polizei«
Berlin. Die Staatsanwaltschaft Dresden hat im Prozess gegen den Antifaschisten Tim H. Revision gegen das Urteil des Landgerichts Dresden eingelegt. Der 38-Jährige war erst am Dienstag wegen Beleidigung eines Polizeibeamten zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 45 Euro verurteilt worden. Das Gericht hatte dabei einen Richterspruch aus erster Instanz deutlich abgemildert. Das Amtsgericht Dresden hatte den Berliner im Januar 2013 noch zu 22 Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt, nachdem es ihn als Rädelsführer bei einem schweren Fall des Landfriedensbruchs für schuldig befunden hatte. Ihm war vorgeworfen worden, bei Protesten gegen Naziaufmärsche am 19. Februar 2011 in Dresden einen gewalttätigen Durchbruch von Nazigegnern durch eine Polizeisperre per Megafon koordiniert zu haben.
Im Berufungsverfahren hatte sich die Beweislage indes als schwach herausgestellt. Ein Video der Polizei, das H. belasten sollte, klammerte aus, das am Ort des Geschehens bis zu fünf Personen mit Megafon anwesend waren. Verteidiger Ulrich von Klinggräff warf den Polizisten in der Verhandlung »Stimmungsmache« vor. Er forderte einen Freispruch. Auch die Staatsanwaltschaft blieb mit ihrem Antrag, H. zu acht Monaten auf Bewährung zu verurteilen, weit unter dem Strafmaß aus dem ersten Prozess. Im Urteil warf das Gericht den Ermittlern vor, sich »vorschnell auf den ›Großen‹ eingeschossen« zu haben. Tim H. War nicht zuletzt aufgrund seiner Körpergröße in das Visier der Ermittler geraten.
Das Bündnis »Kommt nach vorne«, das Solidarität mit Tim H. organisiert, sprach von »haarsträubenden Ermittlungsmethoden der Dresdener Polizei«. Es seien Videos »so geschnitten« worden, dass sie Sekunden, bevor Entlastendes gezeigt wird, enden. »Fotos und andere Videoaufnahmen der Polizei fehlten in den Akten vollständig. Polizeizeugen hatten in Ihren Aussagen offenbar voneinander abgeschrieben«, heißt es in einer Erklärung vom Freitag. Die Verteidigung hat ihrerseits angekündigt wegen der Verurteilung zur Beleidigung Revision einzulegen. nd
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