Von SYRIZA bis zur Goldenen Morgendämmerung
Anke Stefan stellt die griechischen Parteien vor
SYRIZA - Linksbündnis
Die Favoritin bei den Wahlen am 25. Januar wurde 2004 als Zusammenschluss rund eines Dutzend linker Parteien gegründet. Ihr Vorsitzender Alexis Tsipras entstammt der größten von ihnen, der »Allianz der Linken, der Bewegungen und der Ökologie, Synaspismos«. Bei ihren Wahlantritten zwischen 2004 und 2009 erzielte die Linksallianz zwischen drei und fünf Prozent. Bei der Wahl im Juni 2012 gelang ihr der Sprung auf 26,9 und zur zweitstärksten Partei knapp hinter der Nea Dimokratia. SYRIZA schickte damit 71 Parlamentarier ins nationale Parlament. Bei den letzten Europawahlen überflügelte sie die Nea Dimokratia mit 26,6 zu 22,7 Prozent und stellt in Brüssel mit sechs Abgeordneten die größte Gruppe unter den 21 griechischen Parlamentariern. SYRIZA ist Mitglied in der Europäischen Linkspartei und gehört im EUParlament der Fraktion GUE/NGL an. Sollte SYRIZA die Wahlen gewinnen, strebt die Partei Neuverhandlungen mit der Troika und eine Streichung des größten Teils der griechischen Staatsschulden an. Eine Rückkehr zur Drachme will Tsipras jedoch vermeiden.
PASOK - Sozialdemokraten
Die einstige große Volkspartei – zwischen 1981 und 2009 erzielte die PASOK regelmäßig Werte zwischen knapp 40 und knapp 50 Prozent – schrumpfte in den Wahlen im Sommer 2012 auf 12,3 Prozent und wird heute in Umfragen nur noch bei etwa 6 Prozent gehandelt. Die von Andreas Papandreou im Herbst 1974 gegründete »Sozialistische Bewegung « übernahm 1981 erstmalig die Regierung, die sie seither im Wechsel und zuletzt in Koalition mit der Nea Dimokratia innehatte. Aus der einstmals sozialistisch ausgerichteten PASOK wurde im Laufe der Zeit eine sozialdemokratische Partei. Unter Giorgos Papandreou, dem Sohn des Gründers, führte die PASOK Griechenland 2010 unter den »europäischen Rettungsschirm«. Auch der heutige Parteivorsitzende, Außenminister und Vizeministerpräsident Evangelos Venizelos tritt für eine Fortsetzung des »Reformkurses« der Troika ein. Zuletzt verfügte die Partei im Parlament noch über 28 Abgeordnete, im Europaparlament stellt sie zwei der 21 griechischen Parlamentarier.
To Potami - Der Fluss
Die im Februar 2014 vom parteilosen Starjournalisten Stavros Theodorakis gegründete Partei To Potami (Der Fluss) trat erstmalig bei der darauffolgenden Europawahl an, wo sie 6,6 Prozent und 2 Sitze erzielte. In derzeitigen Umfragen schwanken ihre Werte zwischen 4 und 6 Prozent. Anfänglich als Alternative zu den »korrupten Altparteien « ohne die Mitwirkung von »Berufspolitikern« konzipiert, schwimmen im »Fluss« mittlerweile auch eine Reihe aus anderen Parteien ausgetretene unabhängige Abgeordnete mit. Die sich als Mitte-Mittelinks verortende Partei hat in ihrem wirtschaftsliberalen Programm sowohl linke als auch konservative Versatzstücke und spricht sich für den unbedingten Verbleib im Euro aus. Ihre bei den Wahlen zum EU-Parlament als Vorteil wirkende politische Beliebigkeit zeigt sich im von einer starken Polarisierung hin zu den beiden großen Parteien geprägten jetzigen Wahlkampf als Nachteil. Umfragen zufolge wird die Partei knapp ein Drittel ihrer vormaligen Wähler an Nea Dimokratia und SYRIZA verlieren.
KIDISO - Demokraten und Sozialisten
Die jüngste der an der Wahl teilnehmenden Parteien entstand erst vor wenigen Wochen. Am 3. Januar verkündete Giorgos Papandreou den Ausstieg aus der von seinem Vater Andreas Papandreou gegründeten PASOK und die Gründung seiner »Bewegung von Demokraten (und) Sozialisten, KIDISO«. Der ehemalige PASOK-Vorsitzende hatte die Partei im Verlauf seiner Regierungszeit (2009 bis 2011) in den demoskopischen Abgrund geführt und war vom jetzigen Außenmister und Vizepremier Evangelos Venizelos entmachtet sowie an der Parteispitze abgelöst worden. Entgegen anderslautenden Bekundungen der »Bewegung« dürfte deren Gründung vor allem dem Rachebedürfnis ihres Vorsitzenden geschuldet sein. Inhaltlich reichlich beliebig tritt die Partei für einen nicht näher definierten Politikwechsel ein, was ihr Optionen auf Koalitionen mit jedem möglichen Wahlsieger offen halten soll. Umfragen zufolge ist jedoch fraglich, ob dem ansonsten sehr sportlichen Papandreou der Sprung auch über die Drei-Prozent- Hürde gelingen wird.
Nea Dimokratia - Konservative
Die unmittelbar nach dem Zusammenbruch der Militärdiktatur (1967-1974) am 4. Oktober 1974 von Konstantinos Karamanlis gegründete Schwesterpartei der deutschen CDU regierte Griechenland insgesamt 20 Jahre, zuletzt seit 2012 unter dem amtierenden Parteivorsitzenden Antonis Samaras. Bei ihrem ersten Wahlantritt 1974 erzielte die konservative Partei 54,4 Prozent, bis 2007 lagen die Werte regelmäßig dicht an oder über 40 Prozent. In den Wahlen 2009 verlor der gleichnamige Neffe des Gründers Kostas Karamanlis das Ministerpräsidentenamt an Giorgos Papandreou von der PASOK. Trotz starkem weiteren Wählerschwund hat sich die Nea Dimokratia als eine der beiden großen Parteien gehalten und liegt in Umfragen bei etwa 30 Prozent. Im letzten Parlament hatte sie nach diversen Austritten zuletzt 127 Abgeordnete, im EU-Parlament ist sie mit 5 Mandatsträgern vertreten. Im derzeitigen Wahlkampf setzt sich die neoliberal ausgerichtete Nea Dimokratia für die Fortsetzung des mit der Gläubigertroika vereinbarten Kürzungsprogramms ein, das ihrer Ansicht nach bereits Erfolge im Hinblick auf eine Überwindung der Krise und erneutes Wirtschaftswachstum erzielt.
KKE - Kommunistische Partei
Die 1918 gegründete Kommunistische Partei Griechenlands ist die älteste existierende Partei des Landes und wurde erst nach Fall der Militärdiktatur 1974 legalisiert. Sie vertritt eine klassische kommunistische Politik und fordert den (revolutionären) Sturz der »Herrschaft des Monopolkapitals « für die »Macht der Arbeiterklasse « und den »Sozialismus «. Die im Widerstand gegen die Nazibesatzung und Bürgerkrieg zur traditionellen und größten Vertreterin der Linken in Griechenland gewachsene KKE erzielte nach ihrer Legalisierung in Hochzeiten zwischen 8 und 10 Prozent, stürzte jedoch bei den Wahlen im Sommer 2012 auf 4,5 Prozent ab, um bei der Europawahl wieder auf 6 Prozent zuzulegen. Im letzten Jahr trat die in politischer Gegnerschaft zur Europäischen Linkspartei stehende KKE wegen deren Dominanz in der EU-Fraktion GUE/NGL aus. Die KKE steht in Opposition zu allen anderen im griechischen Spektrum vertretenen Parteien und würde eine SYRIZA-Regierung nicht unterstützen, da die Linkspartei für sie nur eine weitere Verwalterin von Kapitalinteressen darstellt.
DIMAR - Demokratische Linke
Im Juni 2010 hatte sich der reformistische Flügel der Linkspartei Synaspismos im Linksbündnis SYRIZA abgespalten. Der Grund: Die Gruppe um Fotis Kouvelis konnte ihre Vorstellungen einer engeren Anbindung von SYRIZA an die PASOK und die Übernahme von Regierungsverantwortung nicht durchsetzen. Die nur wenige Monate später gegründete DIMAR zog im Sommer 2012 mit 6,3 Prozent und 17 Abgeordneten als Juniorpartnerin einer Koalition mit Nea Dimokratia und PASOK ins Parlament ein. Nur ein Jahr später verließ die DIMAR die Koalition aus Protest gegen ihre Nichteinbindung in wichtige Regierungsentscheidungen wieder. Das Zwischenspiel an der Regierung bekam der sozialdemokratischen Partei jedoch gar nicht. Immer mehr Abgeordnete, die einen wegen der Regierungsbeteiligung, die anderen wegen deren Aufgabe, verließen die Partei, die zuletzt nur noch 9 Parlamentarier bei der Stange halten konnte. Gleichzeitig schrumpften ihre Umfragewerte auf Zehntelprozente. Den erneuten Sprung über die Drei-Prozent-Hürde am 25. Januar hält man selbst in den eigenen.
ANEL - Unabhängige Griechen
Wegen der Weigerung, das zweite Gläubigermemorandum mitzutragen, war Panos Kammenos am 13. Februar 2012 aus der Nea Dimokratia ausgeschlossen worden. Nur zwei Wochen später gründete Kammenos seine Partei der Unabhängigen Griechen, die im Sommer 2012 mit 7,5 Prozent und 20 Abgeordneten ins Parlament einzog. Insbesondere der absolutistische Führungsstil des Parteivorsitzenden trieb in Folge nach und nach 8 Parlamentarier aus der Partei. Bei der Europawahl im vergangenen Mai fielen die Unabhängigen Griechen auf 3,5 Prozent zurück. In Umfragen für die Wahl am 25. Januar liegen sie mal bei ähnlichen Werten, mal scheitern sie knapp an der Drei-Prozent-Hürde. Inhaltlich decken sich die Vorstellungen der Unabhängigen Griechen nur hinsichtlich der Rücknahme der Austeritätspolitik mit denen von SYRIZA. In Fragen wie dem Umgang mit Migranten und insbesondere den »nationalen Themen« steht die Partei von Kammenos dessen alter politischer Heimat Nea Dimokratia wesentlich näher.
Chrysi Avgi - Neofaschisten
Die bereits 1980 von Nikos Michaloliakos gegründete neofaschistische Goldene Morgendämmerung (Chrysi Avgi) spielte bis 2009 nur eine marginale Rolle. Ihr bestes Wahlergebnis waren knapp 0,3 Prozent im Jahr 2009. Erst die Krise spülte die Partei nach oben: Bei den Urnengängen im Sommer 2012 erzielte sie 6,9 Prozent und zog mit 18 Abgeordneten ins Parlament ein. In der Folge steigerten sich die bereits vorher zum Parteiprogramm gehörenden Angriffe auf Migranten und politisch Andersdenkende zu regelrechten Pogromen. Erst der von einem Parteimitglied verübte Mord an dem griechischen Rapper Pavlos Fyssas führte zum Durchgreifen von Polizei und Justiz, die unter anderem die gesamte Führungsriege der Partei wegen Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung anklagte. Da ein Prozesstermin bis heute noch nicht festgesetzt ist, kann die Partei, deren Führung inklusive Michaloliakos in Untersuchungshaft sitzt, ungehindert an den Parlamentswahlen teilnehmen. Umfragen prophezeien ihr bis zu 6 Prozent.
ANTARSYA - Antikapitalistisches Bündnis
Mit Umfragewerten um ein Prozent kann sich das größte Bündnis der (unfreiwillig) außerparlamentarischen Linken auch dieses Mal keine Hoffnungen auf einen Einzug ins Parlament machen. Trotzdem hat sich das 2009 unter der Teilnahme von 10 kommunistischen Parteien und Organisationen gegründete Bündnis zu einem eigenständigen Wahlantritt und nicht zur Platzierung von Kandidaten auf den Listen von SYRIZA entschlossen. Stattdessen bildete man eine Allianz mit der Formation »Plan B« des einstigen Synaspismos-Vorsitzenden Alekos Alavanos. Beide vereint die von SYRIZA abgelehnte Option eines Austritts aus EU und Euro. Als in den zivilgesellschaftlichen und gewerkschaftlichen Bewegungen verankertes Bündnis gehört ANTARSYA aber zu den linken Kräften, die im Falle eines Wahlsiegs die Linkspartei kritisch solidarisch »auf der Straße « begleiten und Druck für die abstrichlose Umsetzung des SYRIZA- Wahlprogramms aufbauen könnten.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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